Neersen: Der Herr über Stoff und Schere

Festspiele: Im Theater stehen Schauspieler im Rampenlicht, doch „die im Dunkeln sieht man nicht“, wie es bei Bertolt Brecht heißt. Wir stellen nun die Leute hinter den Kulissen vor. Heute: Thomas Dohm.

Neersen. Die große Schere und die Pfaff-Nähmaschine hat er von daheim mitgebracht. Und auch auf dem Schneiderwinkel steht sein Name: Thomas Dohm. "An einer kleinen Bühne wie hier in Neersen kann man nicht erwarten, dass alles perfekt vorgegeben wird", erzählt der 34-jährige Gewandmeister der Schlossfestspiele. Doch das Improvisieren macht ihm nichts aus. Im Gegenteil: "Die Abwechslung macht den Spaß aus. Ich liebe das Theater mit seiner besonderen Atmosphäre. An einer kleinen, feinen Bühne wie hier ist man noch stärker aufeinander angewiesen."

Schon als Realschüler in Offenbach hatte Thomas Dohm im Kurs "Textiles Gestalten" sein Interesse an der Schneiderei entdeckt. Den Rat des Vaters, eine Banklehre zu machen, befolgte er nicht, sondern lernte lieber das kreative Schneiderhandwerk von der Pike auf. Eher zufällig kam er an einen Aushilfsjob am Staatstheater in Darmstadt - und danach hatte er Blut geleckt: "Ich wollte wieder zurück ans Theater." Stationen seiner Berufslaufbahn führten ihn an Staatstheater und Musicalbühnen, zu den Gebrüder-Grimm-Festspielen und sogar ins Showprogramm von Ferienclubs. Im Vorjahr hat er erstmals in Neersen gearbeitet.

In der Schneiderei der Festspiele ist Thomas Dohm der "Quotenmann", wie Geschäftsführerin Doris Thiel spöttelt: Zum fünfköpfigen Team gehören außer ihm die Damen Nikole Gerlach, Marion Rutkowski, Marlene Steyvers und Assistentin Stefanie Klein. Als Gewandmeister arbeitet er zudem sehr eng mit Silke von Patay zusammen, die für die Ausstattung des noch ausstehenden Stücks "Arsen und Spitzenhäubchen" sorgt.

"Sie macht die künstlerischen Vorgaben, ich bin für die technische Umsetzung zuständig", so Dohm. Was im Falle von Silke von Patay kein Problem sei: "Wir sind auf einer Wellenlänge."

Wie sieht die Arbeit eines Gewandmeisters aus? Nun, Thomas Dohm macht die Anproben und das Zuschneiden, er ist aber auch für die Pass-Kontrolle da: Sitzt die Naht richtig? Gibt’s irgendwo hässliche Falten? Der 34-Jährige kümmert sich darum. Er sei sich aber auch nicht zu schade, sich selbst an die Nähmaschine zu setzen.

Gerade bereitet er einen schwarzen Gehrock für Markus Rührer vor, der in "Arsen und Spitzenhäubchen" den Teddy Brewster spielt. Das fast fertige Teil hängt auf der Schneiderbüste, die Ärmel liegen allerdings noch auf dem großen Schneidertisch. "Das hat auch seinen guten Grund", sagt Thomas Dohm: Da Teddy Brewster im Stück die Arme hoch reißt, wird unter die Achseln ein "Tanz-Ei" genäht, also ein Stück zusätzlichen Stoff, das dafür sorgt, dass der Gehrock seinen guten Sitz auch in Extremsituationen nicht verliert.

Die Biedermeier-Kostüme der Brewster-Schwestern aus "Arsen und Spitzenhäubchen" mit ihrem "Cul des Paris" (Popo-Aufbau) findet Thomas Dohm ebenso spannend. "Aber auch das Aufarbeiten von Stücken aus unserem kleinen Fundus gehört dazu." Besonders spannend sei es, mit kreativen Leuten wie Silke von Patay zusammenzuarbeiten. "Da lernt man immer etwas Neues", betont Thomas Dohm. Und muss schon beim Gedanken an die "Toten", die von der Hamburgerin für die Krimikomödie gefertigt wurden, unwillkürlich grinsen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort