Premiere Theater: Klischees statt Charaktere bei „Frau Müller“

„Frau Müller muss weg“ feierte am Samstag im Stadttheater Premiere. Darin wollen Eltern die Klassenlehrerin ihrer Kinder loswerden.

Premiere: Theater: Klischees statt Charaktere bei „Frau Müller“
Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Mit diesen Leuten will man nichts zu tun haben: In dem Stück „Frau Müller muss weg“ von Lutz Hübner betreiben die Eltern von Viertklässlern den Rausschmiss der Lehrerin. Dem Publikum im Stadttheater gefiel’s ganz gut, und manches Mal wurde auch gelacht. Der Applaus war allerdings weit entfernt vom Jubel zur musikalischen Spielzeiteröffnung vor einer Woche, als die Cavalleria gegeben wurde.

Der bissige und einseitige Blick auf das deutsche Schulsystem teilt in zwei Lager. Auf der einen Seite die fünf Elternteile, angeführt von der Elternvertreterin (Susanne Jansen). Ihr zur Seite das Ehepaar Jeskow: Er (Christopher Wintgens) ein in die Provinz (Niederrhein!) versetzter Geschäftsmann mit Machogehabe, sie (Helen Wendt) eine hysterische Hauptstadtfrau mit Schnappatmung. Wahrscheinlich Folge einer Laktoseintoleranz. Dann ist da noch der windige Wolf Heider (Adrian Linke), verheiratet, der ein Verhältnis mit Katja Grabowski (Esther Keil) hat. Sie schert leicht aus der Front aus, denn bei ihr kommt gelegentlich Verständnis für die Mitmenschen auf.

Die geballte Elternaggression richtet sich gegen Klassenlehrerin Frau Müller (Eva Spott) im grauen Kostüm. Denn die erteilt in der vierten Klasse die Noten, die über die weiterführende Schule entscheiden. Und genau darum geht es den Eltern: „Die Blagen müssen aufs Gymnasium.“ Der Nachwuchs dieser schrecklichen Eltern hat Einschränkungen, die das Lernen nicht befördern. Einer ist ein Zappelphilipp (ADHS) und schlägt schon mal den Jungen mit Autismus, eine ist mediensüchtig und mobbt die anderen. Das erfährt der Zuschauer aus dem Munde der anstrengenden Eltern. Denn über ihre Kinder sind sie auf dem Weg zur Selbstoptimierung und streiten sich wie die Kesselflicker.

Es sind keine Charaktere, sondern Klischees, die da im Klassenzimmer umeinander schreien, fluchen, poussieren — und übrigens doch nicht immer zu verstehen sind. Frau Müller macht sich dann so ihre Gedanken über die Pädagogik und ist bereit zur Kündigung. Da haben aber die Eltern schon den Bogen mit den Schulnoten aus ihrer Handtasche entwendet und gelesen: Scheint ja doch nicht so schlimm zu sein mit den Kindern.

Also Kehrtwende und Kuschelei mit Frau Müller. Das Bühnenbild ist ein altmodisches Klassenzimmer, in dem noch mit Kreide geschrieben wird. Rechts und links sind die Musikräume, die dann von Eltern und Lehrerin auch genutzt werden: Ab und zu wird in dem Stück gesungen. Der äußere Rahmen ist ein reizender Auftritt von sechs Kindern, die über die Bühne turnen dürfen. Sie sind mit ihren Kostümen (Annette Meyer) kleine Kopien der Erwachsenen, aber im Gegensatz zu den Großen voller Lebensfreude und Heiterkeit.

Die Kinder (Emil Braß, Theresa Franken, Nea Schüller, Noah Tempel, Leonie Udaw, Fiona Witt) werden vom diabolischen Schulmeister mit knallender Peitsche gezüchtigt. Auch die Struwelpeter-Pädagogik eines Hoffmann wird hier angeklagt.

Was bei diesem Stück so berührt, ist die völlige Abwesenheit von Liebe. Wenn es auch einen anständigen Applaus gab, bleibt die Frage, ob man sich wirklich einen ganzen Abend mit den Auswüchsen des Schulsystems befassen möchte. Vielleicht greift man da lieber zu einer Studie und amüsiert sich anderweitig.

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