„Ich bin kein Stadtmusikant“

Im Kreschtheater feierte ein humorvolles Stück über einen Asylsuchenden in der Ausländerbehörde Premiere.

„Ich bin kein Stadtmusikant“
Foto: Dirk Jochmann

Zunächst gibt der Autor und Regisseur der anstehenden Aufführung sowie derzeitige kommissarische Leiter des Kreschtheaters Helmut Wenderoth noch den Platzanweiser. Die Reihen in der Studiobühne 2 haben sich für die Premiere von „Ich bin kein Stadtmusikant“ sehr gut gefüllt und er sucht noch nach einzelnen freien Plätzen, um Theaterfreunden von der Warteliste zu einem Sitzplatz zu verhelfen. Dem Gedränge gegenüber sitzt der Schauspieler bereits einsam und allein auf der Bühne und wartet geduldig auf seinen Einsatz.

Das Bühnenbild lässt erahnen, dass mit den hölzernen blauen Kuben ein Büro mit Sitzgelegenheiten und einem Schreibtisch geschaffen wurde. Hinter dem Schauspieler Predrag Kalaba befindet sich eine Wand aus zwei großen dunkel gestrichenen Platten. Sollen sie eine Wand oder einen Vorhang darstellen?

Da kommt mit zügigen Schritten Christina Beyerhaus auf die Bühne. „Ich bin kein Morgenmensch“, erklärt sie leicht gehetzt als Sachbearbeiterin Sonja Liebetrau. Sie spielt die Rolle einer Sachbearbeiterin in einer Behörde; doch noch ist sie nicht Amtsperson, sondern Privatmensch und schwärmt erst einmal von der Morgenstimmung. Nachdem sie sich an ihrem Schreibtisch eingerichtet hat, wird sie förmlich: „Der Nächste bitte!“ Kalaba als Asylsuchender Marko Slavinowic tritt an ihren Schreibtisch. Auf dem Weg dorthin murmelt er so vor sich hin: „Im Märchen wird kaum gewartet, im Ausländeramt schon.“ Und das Publikum lacht.

Damit ist auch schon der Trend für das nachfolgende Gespräch zwischen den beiden Schauspielern gegeben. Die Missverständnisse, die sich aus der deutschen Sprache und ihren Redewendungen ergeben, sorgen für Heiterkeit. „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ fragt die Sachbearbeiterin und er signalisiert, dass er dies gerne täte. Doch da er versteht, dass ihre Äußerung nicht wörtlich gemeint ist, fängt er an, die Situation in einen Text zu verwandeln, der aus einem Märchen stammen könnte. Seine Gefühle lassen ihn noch zu einem Poeten werden und er trägt fremde und eigene „Dichtung“ vor, die sich als Schlagertext eignen würde. Dann tritt das Heitere in den Hintergrund. Schließlich stehen sich Ungeduld und „Ungeduldung“ gegenüber — nachzulesen in der Stichwortsammlung auf den beiden Platten, die nun zu einer großen Tafel geworden sind. Beide schreiben Notizen als Essenz der abgelaufenen Szene darauf.

Besonders nützlich wird dies in der Folge, wo sie als Chronistin Zahlen zu Flüchtlingen, Asylanträgen etc. vorträgt und er im Wechsel dazu, das Grimm’sche Märchen von den Bremer Stadtmusikanten vorliest. Das Zitat „Zieh’ lieber mit uns fort“ aus dem Märchen, wird zu einem Kernsatz der Aufführung, der Bezug auf die Stadtmusikanten erschließt sich nun. Kalaba macht im Folgenden immer wieder deutlich, dass er nicht in die Rolle eines dieser Tiere gedrängt werden will. „Ich bin kein Stadtmusikant. Ich will arbeiten, ich will ein Haus bauen, Kinder machen, reich werden“, erklärt er. „Ich will nicht dastehen, wie ein dummer Hund.“

Mit langem Applaus werden die Schauspieler und das dahinter stehende Team des Kreschtheaters in die Premierenfeier entlassen. Die Aufführungsdauer ist mit ihren 45 Minuten auf die möglichen Gastspiele in Schulen abgestimmt. Bei dieser sachlichen wie streckenweise humorvollen Präsentation des Themas, ohne beispielsweise die Schubladen Betroffenheit oder politische Korrektheit weit aufzureißen, eignet sie sich gut für den Unterricht. Bei einer Schulaufführung dürfte dann auch die Frage, die nach der Premiere von einem Gast beim allgemeinen Hinausgehen in den Raum geworfen wurde, beantwortet werden: „Und wer putzt die Tafel?“ Sie ist nämlich gut gefüllt.

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