Spannende Archäologie Rätsel um verformte Lanzen und uralte Schilde

Krefeld · Beim Grabungsabend im Museum Burg Linn ging es um spannende Fragen und überraschende Antworten zu archäologischen Funden in Gellep.

 So soll das Kastell in Gellep einst ausgesehen haben.

So soll das Kastell in Gellep einst ausgesehen haben.

Foto: Archäologisches Museum Krefeld

Ganz so aktionsreich, wie der Schriftzug der aktuellen Sonderausstellung im Museum Burg Linn, der mit Augenzwinkern an die Indiana-Jones-Filme erinnert, dürfte der Alltag der Krefelder Archäologen vielleicht nun nicht sein. Und doch kann es sehr spannend sein, aus den Spuren der Vergangenheit, die schichtweise in unserer Erde verborgen liegen, zu lesen, sei einzuordnen und zu analysieren. Archäologie ist eine faszinierende Wissenschaft – und manchmal gibt es sogar große Überraschungen.

Die Ausstellung „Abenteuer Großgrabung“ rund um Gräberfeld, Bataverschlacht und Römersiedlung in Krefeld-Gellep läuft seit November 2019 und ist bis September 2020 zu sehen. Dort wird auf sehr anschauliche Weise die Arbeit der Archäologen an dieser außergewöhnlichen Grabungsstelle illustriert, Funde sind zu sehen, die erklärt und eingeordnet werden. Wer aber noch ein bisschen tiefer in die Materie eintauchen möchte, Lust hat, sich Geschichten um die ausgegrabene Geschichte persönlich berichten zu lassen, hat dazu bei den jährlichen Grabungsabenden Gelegenheit. Die diesjährige Veranstaltung in der Museumsscheune bewies eindrücklich, dass es einerseits wirklich beachtlich viele Menschen gibt, die sich gerne in die Welt der Archäologie entführen lassen – die Veranstaltung war bestens besucht – und andererseits, welche bedeutende Arbeit die Archäologen leisten.

Auch der Archäologische Landschaftspark war Thema

Zunächst blickte der stellvertretende Institutsleiter Christoph Dautermann – der die Leiterin Jennifer Morscheiser-Niebergall vertrat – auf das Archäologische Jahr 2019. Ein Jahresrückblick, bei dem neben anderen Projekten und kleineren Aktivitäten der Stadtarchäologie vor allem auch der geplante Archäologische Landschaftspark Gelduba im Fokus stand. Mit diesem Prozess hängt die Anerkennung des Niedergermanischen Limes als Unesco-Welterbe eng zusammen. Ist die Bewerbung mit Erfolg gekrönt, wird Krefeld neben Xanten und Köln zu einem zentralen Ort der Limes-Vermittlung im Rahmen eines Welterbes. Ein Ort, an dem anschaulich die Geschichte der römischen Grenze erlebbar werden soll. Für den Landschaftspark  gibt es große Pläne: Es wird einen besonderen Abenteuer-Spielbereich geben, ein Kastellturm soll exemplarisch rekonstruiert werden, auch mit Augmented-Reality – also virtuell – soll das Kastell erkundet werden können.

Der Schwerpunkt beim Grabungsabend indes lag auf drei interessanten Vorträgen. Hans-Peter Schletter referierte mit viel Gespür für eine schöne dramaturgische Aufbereitung seiner Forschung von zwei Militaria vom Schlachtfeld in Gelduba: einem Magazinfund, der bis dato im Dornröschenschlaf schlummerte, und einer Lanzenspitze, die gewisse Rätsel in sich barg. Sie ist mehrfach verbogen. Doch Schletter erläuterte anschaulich, dass es unwahrscheinlich sein dürfte, dass diese Verformung durch Kampf entstanden sei – eine spätere Verformung im Laufe der Jahrhunderte ist ohnehin ausgeschlossen, da das rostige Metall sonst gebrochen wäre. Im Kampf verbogene Lanzenspitzen sehen auf jeden Fall anders aus. Er vermutet eher, dass es bewusst geschah. Weil die Spitze für ein Tropaeum, eine Art Siegesdenkmal, genutzt wurde. Dafür spricht, dass auch schon ein Helm gefunden wurde, bei dem die Wangenklappen mehrfach gefaltet sind. Es wirkt so, also seien beide Stücke bewusst so verformt worden, um sie ihrer praktischen Nutzung zu entheben, um sie für das Denkmal zu nutzen. Hinweise, die noch weiter erforscht werden müssen. Spannend.

Auch sehr interessant ist die Geschichte eines spindelförmigen Schildbuckels, der nicht so recht in die Zeit Geldubas (erstes bis drittes Jahrhundert nach Christus) passen will. In späteren Jahrhunderten, erklärte Schletter, seien Buckel eher rund. Vielmehr erinnere die charakteristische Form an Schilde aus Zeiten vor Christus. Es gibt Hinweise auf einen überraschenden Schluss: Vielleicht hatte ein Krieger schlicht den Schild seines Großvaters dabei. In schweren Zeiten nähme man, was man hat.

Viktoria Appel präsentierte erste Ergebnisse ihrer Masterarbeit zu Fundmünzen in Gellep. Aus welcher Zeit stammen sie, sind sie echt oder damals schon Fälschungen und wenn ja wieso? Woher kamen sie? Wann wurden sie verloren? Die Funde reichen von einer Münze aus 132 vor Christus bis ins vierte Jahrhundert nach Christus und verraten viel über Geldubas Schicksal. Da finden sich Geldstücke aus aller Herren Länder. Erstaunlich, wie die junge Wissenschaftlerin aus den Motiven der Prägungen herausliest, wer, wann und wo eine Münze schuf.

Christoph Reichmann wiederum begab sich in seinem Vortrag auf die Spuren von Menschen aus Nord-Brabant im Kastell Gelduba. Jene „recycelten“ die Überreste des Kastells und errichteten ihre typischen Bauten. Woher man das alles wissen kann? Es gibt bestimmte Baumethoden, die aus jener Region bekannt sind, Spuren jener Bauweise kann man hier entdecken. Sie unterscheiden sich deutlich von der römischen Bauweise – erklärte Reichmann anschaulich. Wie auch Töpferei, die in ihrer Form ganz typische Merkmale aufweist und auf jene Menschen verweist. Es ist faszinierend was ein Archäologe aus den Spuren in der Erde herauszulesen vermag.

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