Architektur Auf den Spuren von Mies

Krefeld · Die Ausstellung „Mies im Westen“ zeigt, wie wichtig Krefeld für den Bauhausdirektor war.

 Hanna Bonekämper (l.) und Aylin Özdemir (r.) haben die „Sprachrohre“ am Gebäude geschaffen. Daraus ist Mies van der Rohe zu hören.

Hanna Bonekämper (l.) und Aylin Özdemir (r.) haben die „Sprachrohre“ am Gebäude geschaffen. Daraus ist Mies van der Rohe zu hören.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Die bekanntesten Bauwerke des weltberühmten Architekten Ludwig Mies van der Rohe in Nordrhein-Westfalen stehen in Krefeld: Die Häuser Lange und Esters sowie das HE-Gebäude der Vereinigten Seidenwebereien sind weit über die Stadtgrenzen hinaus ein Begriff. Doch der letzte Bauhausdirektor hat in der Stadt noch mehr Spuren hinterlassen. Das zeigt eindrucksvoll die Ausstellung „Mies im Westen“, die am Mittwochabend eröffnet worden ist.

Einen besseren Ort für die Ausstellung als das HE-Gebäude der Verseidag an der Girmesgath hätte man kaum finden können: Es ist von Mies selbst entworfen worden, seine Architektur spricht hier ganz unmittelbar die Besucher an. Doch der Architekt spricht auch ganz persönlich: Aus den oberen Gebäudefenstern hängen rote Rohre wie ein Bündel Spaghetti – wenn man das Ohr daran hält, hört man die tiefe, getragene Stimme des Aacheners.

Die Idee zu dieser Installation stammt von Architekturstudierenden, die an der Vorbereitung der Ausstellung maßgeblich beteiligt waren. Wie Studentin Hanna Bonekämper erläutert, habe man mit diesen auffälligen „Sprachrohren“ bei Passanten auch die Frage aufkommen lassen wollen: „Was passiert denn hier schon wieder?“  Denn die Ausstellung richtet sich nicht nur an ein interessiertes Fachpublikum, sondern soll alle Interessierten ansprechen.

Wer hat die Ausstellung konzipiert?

Die Studenten der TH Köln, der TH Mittelhessen und der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft haben mit ihren Dozenten Professor Dr. Daniel Lohmann und Professor Norbert Hanenberg insgesamt drei Ausstellungen unter dem Oberthema „Mies im Westen“ entwickelt – vom Konzept über die Inhalte bis hin zur Ausstellungsarchitektur. Bereits am Sonntag war Teil 1 in Aachen, der Heimatstadt von Ludwig Mies van der Rohe, eröffnet worden. Nach der Eröffnung von Teil 2 in Krefeld folgt nächste Woche Teil 3 in Essen, wo der Architekt ebenfalls gewirkt hat. Die Reihe ist eine Koproduktion mit dem Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW. Sie möchte das bisher wenig beachtete Wirken des Kult-Architekten in Nordrhein-Westfalen in den Blickpunkt rücken.

Wie stark sind die
Krefelder Bezüge?

„Unsere gemeinsame Mies-Forschung hat schon vor Jahren hier in Krefeld begonnen“, berichtet Daniel Lohmann. Noch stärker ist der Krefeld-Bezug von Norbert Hanenberg, denn er stammt aus der Stadt und kennt die Verseidag-Gebäude schon aus einer Zeit, als sie nicht Business-Park, sondern Fabrik waren.

Eng war auch die Beziehung von Ludwig Mies van der Rohe zu Krefeld. Durch den guten Kontakt zu den Seidenbaronen hat er elf Jahre an insgesamt sechs Projekten in der Stadt gearbeitet. Für ihn war es ein erster Karrierehöhepunkt. Allerdings sind nur die Häuser Esters und Lange sowie das Verseidag-Gebäude realisiert worden.

Welche Projekte werden vorgestellt?

„Wir haben alle Projekte gleich behandelt“, betont Lohmann. Sie werden in der Ausstellungsreihe unter den drei „Aggregatzuständen“ des Bauens präsentiert: Geplant - Gebaut - Zerstört. Nie gebaut worden sind zum Beispiel die neue Hauptverwaltung für die Verseidag und das Wohnhaus von Ulrich Lange, Sohn von Hermann Lange.

Auch das Clubhaus für den 1930 gegründeten Krefelder Golfclub ist nicht realisiert worden. 2013 gab es allerdings ein begehbares Grob-Modell. Die Ausstellung geht einen Schritt weiter: Mit den Entwürfen von Mies einerseits und mit dem Wissen über sein typisches Architektur-Vokabular andererseits haben die Studenten eine exakt gezeichnete Hypothese entwickelt, wie das Haus hätte umgesetzt werden können. Jeder Stein, jede Kachel ist hier, wie auch bei den anderen überdimensionalen Architektur-Zeichnungen, eingearbeitet worden. Monatelang sei daran gearbeitet worden, berichtet Ron Demaj, der mit Steffen Welker für das Clubhaus zuständig war.

Die riesigen Zeichnungen an der Wand, aber auch Modelle, Fotografien und Pläne der einzelnen Projekte sind in der Ausstellung zu sehen. Ein wichtiger Teil von „Mies im Westen“ ist dabei ein Gebäude, dessen Urheberschaft bis heute umstritten ist: Haus Heusgen am Talring in Hüls wird „nur“ seinem Mitarbeiter Willi Kaiser zugeschrieben. Kaiser war schon als künstlerischer Leiter für Mies van der Rohe beim Bau der Häuser Lange und Esters verantwortlich.

Und was ist mit
Haus Heusgen in Hüls?

Gehört Haus Heusgen dann überhaupt zu „Mies im Westen“? Professor Hanenberg gibt dazu eine klare Antwort: „Ohne direkten Einfluss von Mies van der Rohe ist es nicht denkbar.“ Das weiße Stahlskelett-Gebäude habe eine so große Ähnlichkeit mit einem Entwurf, den der Architekt 1931 auf einer Bauausstellung präsentiert hatte, dass „ich den Mitarbeiter verklagen würde“, wenn er diesen Entwurf ein Jahr später unter seinem eigenen Namen umgesetzt hätte. Haus Heusgen sei moderner, waghalsiger als die Häuser Esters und Lange, architektonisch dabei völlig eindeutig.

Das ewige Rätsel um Haus Heusgen könnte zweifelsfrei eigentlich nur durch ein Original-Dokument gelöst werden, das die Unterschrift von Mies trägt. Darauf legt Norbert Hanenberg aber gar keinen Wert: „Es wäre schade, wenn es entzaubert würde.“

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