Ohren auf für das Leben der Anderen

Die Chronisten halten persönliche Lebens- oder Firmengeschichten fest, damit sie nicht vergessen werden.

Düsseldorf. Die Geschichte der ersten Liebe? Verblasst. Die unzähligen Anekdoten von Oma und Opa? Lückenhaft. Das große Lebensabenteuer von Onkel Walter? Schlummert im Fotoalbum unbeachtet vor sich hin. Das Leben schreibt zwar die schönsten Geschichten, doch für die Nachwelt erhalten müssen wir sie selbst. Denn was früher am Küchentisch der Familie weitergegeben wurde, droht heute im Zuge der wenig kommunikativen Fernsehkultur in den Wohnzimmern in Vergessenheit zu geraten.<h3 align="center">Es sind die kleinen Geschichten, an denen die große ablesbar istZwei, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, solche persönlichen Geschichten zu fixieren und zu bewahren, sind Susanne Gabele und Frank Simon. Seit März 2003 firmieren sie als "Die Chronisten" und zeichnen die Lebensgeschichten anderer Menschen auf. "Uns ist daran gelegen, dass die kleinen Geschichten nicht verloren gehen, an denen sich die große Geschichte viel besser ablesen lässt", sagt Frank Simon. "Es ist doch so: Als Kinder hören wir unseren Großeltern begeistert zu, wenn sie aus ihrem Leben erzählen. Als Jugendliche wollen wir nichts mehr davon hören. Aber später, wenn wir wieder Interesse an unseren Familiengeschichten haben, ist es oft zu spät", fügt seine Kollegin Susanne Gabele hinzu. Entstanden ist die Berufsidee übrigens, als Simon, der früher für den WDR Porträts drehte, zufällig an der eigenen Familiengeschichte recherchierte, sie aufschrieb und in Buchform veröffentlichte. "Die ganze Familie war begeistert - das war die Initialzündung", erinnert er sich. Heute haben die Chronisten etwa zehn Bücher verfasst, vier weitere sind in Arbeit. Je nach Aufwand und Umfang dauert die Arbeit an solchen Biografien zwischen drei Monaten und einem dreiviertel Jahr. Es sind dramatische Zeugnisse der Kriegszeit, ein berührender Rückblick auf die große Liebe oder Kindheitserinnerungen eines Dorflebens.

Eine davon ist die des Briefträgers Herbert Wölbert. 40 Jahre hat der 82-jährige Düsseldorfer auf der Schadowstraße die Post ausgetragen und dabei so einiges erlebt. 1924 im Hunsrück als Sohn eines Schmieds geboren, zog er als 17-Jähriger freiwillig in den Krieg, wollte Flieger werden. 1945 erlebte er den Zusammenbruch des Deutschen Reichs an der Heimatfront in der Eifel. Ohne Ausbildung ging er nach Düsseldorf und wurde Briefträger. Ein Leben voller Höhen und Tiefen, ein ganz normales eben.

Susanne Gabele: Nach einem Studium der Germanistik und der Kommunikationswissenschaften arbeitete die 43-Jährige in verschiedenen Agenturen. Hier kam sie immer wieder sowohl mit Unternehmern und deren Biografien als auch mit Firmenchroniken in Kontakt.

Frank Simon: Als langjähriger Autor des WDR hat der 51-Jährige viele unterschiedliche Leben geschildert. An der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hielt er acht Jahre Vorlesungen im Bereich Mediendidaktik. Bei der Recherche nach den eigenen Familienwurzeln wurde er zum Ahnenforscher aus Passion.

Kontakt: Die Chronisten, Lubarschstraße 5, 40225 Düsseldorf, Tel. 0211/171 38 53.

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