Amerikanische Freundlichkeit schwappt nach Düsseldorf

Den Kunden nach seinem Befinden zu fragen, ist in den USA ganz normal. Doch immer öfter beginnt der Kauf auch am Rhein mit einem „Wie geht’s“.

Düssledorf. Es begann wohl in der Berger Straße. Wer dort noch vergangenes Jahr die Tür zum Restaurant der US-Kette „Hooters“ öffnete, wurde von einem Chor junger Damen in engen Shirts und orangefarbenen Turnhöschen euphorisch begrüßt: „Welcome to Hooters!“ Ging der Gast zum Rauchen oder Telefonieren zwischendurch auf die Straße, hatte er das Vergnügen mitunter sogar drei Mal — völlig konditioniert bei jedem Türöffnen wieder: „Welcome to Hooters!“ Und am Schluss gab’s auf der Rechnung einen persönlichen Gruß der Kellnerin, mit Vornamen und einem Smiley.

In den USA, in Australien, selbst in Namibia ist es selbstverständlich, an jeder Supermarktkasse nach dem Befinden gefragt zu werden. Im Rheinland hingegen sind wir eher gewöhnt, bei der Bestellung eines Sprudelwassers im Brauhaus mit finsterem Blick und der sarkastischen Frage bedacht zu werden, ob wir dazu auch Wasser und Seife wollen.

Und doch bombardieren auch in Düsseldorf immer mehr Firmen die rheinische Bodenständigkeit mit fröhlichen Floskeln à la US. Jüngstes Beispiel: Abercrombie & Fitch auf der Kö. An jedem Treppenabsatz und Pulli-Regal stehen lächelnde Mädchen in kurzen Hosen und fragen: „Hey Guys, what’s going on?“ Bei Starbuck’s wird gar der Vorname des Kunden verlangt und auf die Kaffee-Pappbecher zum Mitnehmen geschrieben.

„Man soll das Gefühl haben: Dieser Kaffee wurde nur für mich gemacht“, erklärt Annette Schauer vom Düsseldorfer Einzelhandelsverband. Hooters, A&F, Starbuck’s — „das sind typisch amerikanische Importe“, sagt Schauer. „Gerade bei Abercrombie wird über die Begrüßung schon ganz viel Markeninhalt — dieses Surfer-Feeling — transportiert.“

Aber auch nicht-amerikanische Geschäfte haben die amerikanische Freundlichkeit für sich entdeckt. Im Spielwarengeschäft „Imaginarium“ in der Altstadt etwa kommt sogleich ein Mitarbeiter zur Tür: „Hallo, wie geht es Ihnen?“, beugt sich dann in den Kinderwagen und fragt: „Wie süß, ist das Ihre?“ Und bei Nespresso am Zollhof im Hafen endet der Kauf einiger Kaffee-Patronen mit der Frage: „Haben Sie noch Zeit, einen Espresso zu verköstigen?“ Skepsis. Ganz umsonst? Ja, der ist umsonst. Der Herr im Anzug wirft den Vollautomaten an und serviert das Tässchen mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen guten Genuss.“

Hotpants-Mädchen an der Kö und Anzugträger im Hafen — das Prinzip ist das gleiche: Das alte „Kann ich helfen?“ hat ausgedient. „Das wird heute kaum noch gemacht“, sagt Annette Schauer. „Es wird individueller.“ Und dass das geht, sei ein großes Plus des Einzelhandels gegenüber Online-Kaufhäusern: „Man kann dem Kunden das Gefühl geben, etwas ganz Besonderes zu sein.“ Und jetzt, nach der Finanzkrise, würden laut Studien Qualität und Vertrauen in eine Marke für die Kaufentscheidung wieder wichtiger als nur der Preis.

Aber auch Annette Schauer glaubt, dass man Kumpanei und gutgelaunte Geschwätzigkeit vorsichtig auf rheinischen Boden streuen muss. „Deutsche achten sehr auf höfliche Distanz. Wir wollen wissen, dass da jemand ist, den wir um Hilfe bitten können — aber wir gucken lieber erstmal selbst. Wenn wir überall gefragt würden, wie es uns geht, fänden wir das irgendwann komisch.“

Das Hooters übrigens hat vor einem Jahr dichtgemacht. In der Altstadt sei das Konzept nicht angekommen, hieß es. Der Durchschnittsrheinländer will zu Fußball und Hähnchenflügeln offenbar doch keine sexy Tanzshows vom Service-Personal, zu seinem Altbier lieber einen ruppigen Köbes als eine lächelnde Turnerin und seine Rechnung mit Strichen auf einem Bierdeckel statt mit Herzchen und Smileys. Man kann nicht alles ändern.

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