Interview: Meret Becker - Mit Dschingderassabum und Spieluhren

Meret Becker tritt im Savoy mit ihrer Band The Tiny Teeth auf. Wäre sie keine Künstlerin, würde sie gerne Druckbuchstaben sortieren.

Meret, was bedeutet Ihnen Berlin?

Meret Becker: Na ja, ich habe es noch nie geschafft wegzukommen. Ich bin zwar viel gereist und viel getourt und träume ewig davon wegzuziehen, aber ich schaffe es nicht.

Was gefällt Ihnen?

Becker: Ich bin mit all den Umbrüchen, die Berlin erlebt hat, aufgewachsen. Angefangen mit den 80er Jahren als kleiner Mini-Punk-Rocker, im Berliner Nachtleben mit seinem Varieté, das dann wieder auflebte und in den 90ern richtig gerockt hat. Der Mauerfall natürlich, nach dem sich plötzlich Türen aufgetan haben. Momentan ist in Berlin Stillstand, und ich tue mich ein bisschen schwer mit dieser Stadt.

Nervt es Sie, dass alle Berlin so angesagt finden?

Becker: Ich wohne in SO 36, das ist so ein Ur-Kiez in Kreuzberg, und der wird gerade von ganz vielen Leuten in Beschlag genommen. Plötzlich komme ich in einen Laden rein und werde behandelt wie ein Tourist.

Ihrem Publikum versprechen sie Dschingderassabum auf der Bühne, lassen Sie Berlins Varieté-Zeit wieder aufblühen?

Becker: Das Programm verändert sich. Es geht ein bisschen weg von dem Dschingderassabum zu mehr Musik. Ich merke, dass die minimalistische Musik mir sehr am Herzen liegt — mit Spieluhren zu musizieren, sehr fein. Ich mag den Kontrast von laut und leise.

Und der Titel „BerliNoise“?

Becker: Das ist reine Francofoulie. Ein Artist aus Frankreich hat mich immer so genannt. Und ich dachte, wenn ich das also so verkörpere, kann ich auch mein Programm so nennen. Wobei meine Musiker nicht aus Berlin stammen sondern aus Australien, der Schweiz und Leverkusen. Ich singe ein französisches Lied, ein dänisches, englische Songs und auch deutsche und berlinerische — im Grunde ist es dieses Unordentliche, das Berlin hat. Und es gibt ganz viel Blödsinn: Mein Freund Harvey ist dabei, ein großer Hase. Mein kleines Häschen spielt auch mit. Ein Teil handelt vom Zirkus.

Ihre Band heißt The Tiny Teeth, das kommt wohl nicht von Harveys Hasenzähnen.

Becker: Nein, die kleinen Zähne habe ich. Und ich finde, der Name groovt so.

Sie stammen aus einer Künstler-Familie und zwar über Generationen hinweg. Gibt es eine Meret Becker hinter diesem Künstler-Dasein?

Becker: So eine Familie bringt mit sich, dass man ein Problem mit dem zur Ruhe kommen hat. Man ist andauernd am Koffer packen, es kommt immer etwas Neues und man kann nie sagen, jetzt kann ich das und gehe entspannt zur Arbeit. Neben dem Künstlerischen gibt es natürlich auch solche Fragen wie: Wer nimmt das Kind, wenn ich auf Tour gehe? Kommt es zur Oma? Ein Leben, in dem man alles so in Ruhe machen könnte, fände ich manchmal ganz toll. Ich sortiere zum Beispiel sehr gerne. Ich wäre gerne Setzerin in einer alten Druckerei. Da würde ich die Buchstaben, die schon gesetzt worden sind, zurücksortieren.

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