Burscheid „Schreibwerkstatt“: Auch beim Schreiben kommt es auf die Technik an

Neuntklässler der Realschule lernen in der „Schreibwerkstatt“ bei Autor Christian Linker den Umgang mit Texten.

Burscheid: „Schreibwerkstatt“: Auch beim Schreiben kommt es auf die Technik an
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Die Hauptfigur ist gerade dabei, das Leben so richtig kennenzulernen. Da stirbt der Vater an einer Krankheit, die offenbar in den Genen liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Jungen dasselbe Schicksal ereilt, ist groß. Seine Mutter zerbricht an der Last, sie verfällt dem Alkohol. In einer Selbsthilfegruppe für Kinder suchtkranker Eltern lernt der Held einen jungen Mann kennen — und entdeckt, dass er homosexuell ist. Ganz nebenbei will er es sein, der ein Heilmittel gegen die tückische Krankheit entdeckt. Punkt.

Die Realschülerin beendet ihren Vortrag. Das soll die Geschichte sein, die sie schreiben will. Christian Linker zupft an seinem Kinnbart. Er ist skeptisch. „Die Geschichte ist vielleicht etwas zu komplex. Man muss den Stoff bändigen können“, urteilt der Leverkusener, der es wissen muss. Neun Jugendbücher hat der 41-Jährige bereits veröffentlicht. Mit dem Schreiben fing es so richtig an, als er etwa in dem Alter derer war, die ihm am Mittwoch gegenüber sitzen.

14 bis 15 Jahre sind die Neuntklässler der Realschule alt, die mit einem Zettel in der Hand darauf gieren, ihre ausgedachte Storyline in der Stadtbücherei von dem Fachmann beurteilen zu lassen. „Die Schüler sind schon kreativ“, lautet das Gesamturteil, wobei es auf Kreativität alleine natürlich nicht ankommt. Wie im Leistungssport und im Handwerk komme es auch beim Schreiben auf die Technik an, um die Ideen umzusetzen. Grundsätzlich sei jeder kreativ. Für Christian Linker gehört das zum Menschsein dazu, sich nicht nur dem stumpfsinnigen Dasein zu widmen, sondern eigene Welten und Bilder im Kopf entstehen lassen zu können.

Die Inspiration, das ist so ein Knackpunkt. Christian Linker hat da seine Tricks, die er mit den Schülern teilt. Aus einem Beutel sollen sie Gegenstände ziehen und ihre Assoziationen beispielsweise zu der gezogenen Armbanduhr oder der Halskette entwickeln. „Das habe ich aus der Theaterarbeit geklaut. In einem Drehbuch sind die Rollen nicht haarklein beschrieben, die Schauspieler müssen sie erst ausfüllen“, erläutert Christian Linker. Auf diesem Wege hat er selbst die Idee für seinen neuen Roman bekommen, an dem er gerade arbeitet. Es geht um einen Jugendlichen, der ungewollt in einen politischen Skandal einer rechtspopulistischen Vereinigung gerät. Ein Politthriller für Jugendliche. Christian Linker befasst sich durchaus mit aktuellen Themen, will sich aber nicht Flüchtiges fokussieren. „Ein gutes Jugendbuch muss zeitlos sein. Ich will kein Porträt einer Generation schreiben.“

Was die Jugend heute offenbar beschäftigt, sind Flucht, Drogen und Homosexualität. Auch Familienkonflikte spielen eine große Rolle, stellt Lehrerin Anne Elsweiler fest. Das Schreiben helfe dabei, private Probleme zu verarbeiten. Vielleicht findet sich unter den Schülern ja mal ein großer Autor? Eva Scholand würde es natürlich toll finden, wenn die Burscheider Stadtbücherei die Wiege eines neuen großen Talentes wird. In diesem Moment noch viel wichtiger wäre der Vorsitzenden des Fördervereins, der den Besuch des Autors finanziert hat, dass die Stadtbücherei den Schülern über dieses Projekt wieder in Erinnerung gerufen wird. Die Zahl der jugendlichen Nutzer sei durchaus ausbaufähig. Umso erfreuter ist Eva Scholand, als sie sieht, wie die Jungen und Mädchen in den Pausen Bücher in die Hand nehmen. Vielleicht blättern sie, um sich inspirieren zu lassen. Vielleicht aber auch, weil sie über das kreative Schreiben wieder Lust am Lesen entwickelt haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort