Menschen: „Eigentlich wollte ich nie in den Westen kommen“

Korinna Ueberall kam erst vor acht Jahren in den Westen und traf hier ihre große Liebe.

Burscheid. Ungarn-Urlaub, Ferienlager und Russisch-Unterricht - wenn sich Korinna Ueberall an ihre Kindheit erinnert, denkt sie an viele schöne Momente zurück. Doch verbracht hat sie diese Zeit nicht in Burscheid, sondern in Perleberg, einem kleinen Ort in Brandenburg, in der ehemaligen DDR.

"Rückblickend kann ich sagen, dass meine Kindheit in Perleberg und in der damaligen DDR sehr schön war. Natürlich fällt einem heut manchmal auf, dass wohl nicht alles richtig gelaufen ist und es dennoch etwas heikel zugegangen ist in der DDR", berichtet 33-Jährige, die jetzt in Burscheid wohnt. "Als kleines Mädchen verstand man noch nicht, warum man in der Schule nicht erzählen durfte, dass man ARD und ZDF gucken konnte und nicht nur DDR-Fernsehen. Wer wusste denn, welche Ohren das hören würden." Das einige der Kinder dennoch fröhlich die Bonanza-Melodie in der Schulpause pfiffen und von den tollen Sachen aus der Werbung erzählten, war keine Seltenheit.

Dennoch habe man in der Schule versucht, den Kindern den Sozialismus näher zu bringen: Statt Politik wurde Staatsbürgerkunde unterrichtet, damit man bereits als Heranwachsender lernte, dass der Westen kapitalistisch sei und man dort nicht glücklich werde. "Als ich etwa neun Jahre alt war, brachte mir eine Verwandte einen Pulli aus dem Westen mit. Diesen Pullover fand ich in dem Alter wirklich toll und sehr schön", erinnert sich Korinna. "Also zog ich ihn am nächsten Tag in der Schule an- und wurde prompt nach Hause geschickt." Der Grund dafür war das Motiv auf dem Pullover: Schick bestickt mit dem weißen Haus von Amerika und der Unterschrift ‚Washington’.

Ein anderes Mal war es nicht die Kleidung der Schülerin, sondern eine westliche Zeitschrift, die für viel Aufsehen sorgte: "Ich brachte die Bravo mit in die Schule. Natürlich dauerte es nicht lang, bis meine Lehrerin darauf aufmerksam wurde und ich die Zeitung abgeben musste. Am Nachmittag musste mein Vater persönlich in die Schule kommen um die Zeitung abzuholen."

Als die Mauer im November 1989 fiel, war Korinna gerade im Teenager-Alter. "Mein Vater war ganz aufgeregt, als er von den großen Neuigkeiten hörte - am liebsten wäre er nach Berlin gefahren und hätte es selbst miterlebt." Aber Korinnas Mutter war strikt dagegen, schließlich war am nächsten Tag Schule: "Am Tag nach dem Mauerfall war die Klasse wie leergefegt. Einige der Schüler fehlten, weil viele Familien Hals über Kopf in den Westen gegangen sind", erzählt sie weiter. Für sie und ihre Familie stand fest: Wir bleiben in Perleberg. "Meine Eltern hatten beide einen guten Beruf und der Rest unserer Familie war auch in Perleberg. Warum sollten wir also weg aus unserem Heimatort?", erzählt sie weiter.

Auch nach dem Mauerfall blieb die junge Frau ihrer Heimat treu: "Eigentlich wollte ich nie in den Westen. Doch Anfang 2001 bekam ich ein Jobangebot aus Köln. Kurze Zeit nach meiner Ankunft im Rheinland habe ich meinen Mann kennen gelernt. Wegen ihm bin ich nach Burscheid gezogen."

Bereut hat sie diesen Schritt nie. Dennoch fühlt sie sich ihrer Heimat immer noch tief verbunden. Und so fand auch die Hochzeit dort statt. "Zuerst waren wir uns sehr uneinig darüber, wo wir heiraten sollten", sagt die Wahl-Burscheiderin. "Aber letztlich fiel unsere Entscheidung auf Perleberg."

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