Hobby: Echte Burscheider Raritäten

Immer weniger Menschen sammeln Briefmarken. Jetzt hat sich der einzige Verein in der Stadt aufgelöst. Der BV sprach mit zwei ehemaligen Mitgliedern.

Burscheid. Fein säuberlich sind sie ins Album einsortiert, die Briefmarken aus der Weimarer Republik. Hinter Klarsichtfolien schimmern sie in unterschiedlichen Farben.

Bedruckt sind die bezahnten und gummierten Papierbildchen mit unwahrscheinlichen Werten: 10 Milliarden Mark, 25 Milliarden Mark, 50 Milliarden Mark.

Die Briefmarken stammen aus dem Jahr 1923, als eine Inflationswelle das Deutsche Reich in Atem hielt. Sie sind kleinstmögliche Zeugnisse der Geschichte.

Ihr Besitzer, der 64-jähriger Burscheider Hans-Joachim Kaps, erklärt: "Das mag ich an Briefmarken: Sie erzählen von historischen Ereignissen, sie lassen den Betrachter tief in die Landeskultur eintauchen." Sachte streicht der stämmig gebaute Mann, der hauptberuflich als Hochdruckkessel-Wärter arbeitet, mit seinen Händen über die Albumseiten.

Eine fast zärtliche Bewegung. Kaps ist passionierter Briefmarkensammler, und in dieser Eigenschaft Vertreter einer aussterbenden Spezies. Immer weniger Menschen verbringen ihre Freizeit damit, den Kopf über speckige Alben zu beugen, um mit Lupe und Pinzette zu sortieren, zu sammeln und zu begutachten. Das gilt auch für Burscheid.

Im Ort hat das besonders die Gemeinschaft Burscheider Philatelisten zu spüren bekommen. Der Niedergang der Philatelie ist so rasant, dass sich der traditionsreiche, 1946 gegründete Verein jetzt auflösen musste. Nur noch sechs Mitglieder zählte die Gemeinschaft bis zuletzt. Bei einer so überschaubaren Größe lohnen sich keine Vereinsstrukturen mehr - weder finanziell, noch logistisch. Zum Vergleich: 1973, in seiner Hochphase, zählte der Verein noch 51 Mitglieder.

Natürlich war Kaps auch Mitglied der Gemeinschaft Burscheider Philatelisten. Und das bis zum bitteren Schluss. Er kommentiert die Auflösung: "Das ist traurig. Aber dass sich niemand mehr für Briefmarken interessiert, ist ein Prozess, der schon lange anhält." Insofern sei das Ende nicht überraschend gekommen.

Seine langjährige Vereins-Mitstreiterin Helga Frenkler, 69 Jahre alt und seit Jahrzehnten schon Sammlerin, sieht das ähnlich. "Die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage muss alles ganz schnell gehen, am besten am Computer per Mausklick." Da bleibe für ein solches Hobby, das Geduld und Ausdauer erfordert, keine Gelegenheit mehr.

Schon seit langem haben die Briefmarken-Freunde keine jungen Gesichter mehr bei ihren Vereinstreffen im Haus der Kunst gesehen. "In den 80er Jahren, da gab’s noch ab und zu einen Familienvater, der seinen Sohn mitgebracht hat", erinnert sich Frenkler. Doch dann glichen die Zusammenkünfte immer mehr einem Seniorentreff.

Jetzt, nach der Auflösung des Vereins, wollen sich die verbliebenen sechs Mitglieder immerhin noch in loser Runde privat treffen. Als letzte Mohikaner, die einem Hobby nachgehen, das die restliche Welt für altmodisch hält.

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