Deutschlehrer im Nordwesten Chinas

Seit anderthalb Jahren lebt und arbeitet Karsten Ohliger in China. Sein neuer Aufenthalt wird von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert.

Burscheid. Seinen Umschlag mit dem ausgefüllten Stimmzettel zur Bundestagswahl hat Karsten Ohliger am Dienstagmorgen noch schnell eingeworfen. Denn am Mittwoch macht sich der Burscheider wieder auf den Weg zurück nach China, wo er schon seit anderthalb Jahren lebt — aber diesmal in eine ihm noch unbekannte Stadt.

Am Donnerstagnachmittag Ortszeit wird der 31-Jährige Xi’an erreichen, eine Vier-Millionen-Einwohner-Metropole im Nordwesten Chinas. Über das Lektorenprogramm der Robert-Bosch-Stiftung unterrichtet er ab Montag an der dortigen technischen Universität Deutsch und bereitet die jungen Studenten so auf ihren späteren Aufenthalt der Hochschule der Medien in Stuttgart vor.

Die Lehrtätigkeit wird aber nicht seine einzige Aufgabe sein. „Die Stiftung wünscht, dass wir in Kooperation mit dem Goethe-Institut Projekte an der Uni oder in der Stadt initiieren, die die Verständigung fördern und helfen, das Deutschlandbild zu verbessern“, erzählt Ohliger. Das könnte eine deutsche Woche sein oder auch ein Projekt aus dem Umweltschutz. Außerdem gehört der Masterstudiengang „Bildungsmanagement an Hochschulen“ als begleitendes Fernstudium zum Programm der Stiftung.

Mindestens ein Jahr, bei Verlängerung auch zwei, wird Ohliger in Xi’an verbringen, als einziger Deutscher an der Universität. Aufgeregt ist er, weil er die Stadt nicht kennt. Aber die Erfahrungen der vergangenen anderthalb Jahre helfen ihm einzuschätzen, was ihn erwartet.

Denn auch in dieser Zeit war Ohliger schon Deutschlehrer — da noch an der Universität von Changchun, rund 1800 Kilometer von Xi’an entfernt, im Nordosten Chinas. Dort hat er bereits gelernt, ohne touristische und ausländische Infrastruktur zu leben, „denn die gab es in Changchun nicht. Und das einzige geschichtliche Highlight war der alte Palast von Pu Yi, dem letzten chinesischen Kaiser.“

Manches an dem Sprung ins kalte Wasser ist ihm in der Zeit schwergefallen: der lange Winter beispielsweise, der von Oktober bis Mai dauert. Oder auch der notgedrungene Verzicht auf Käse. „Aber am Anfang hat mich eine Kollegin von der Uni fast an der Hand genommen und mir überall geholfen, auch beim Einkaufen.“

Zu einigen Kollegen sind in der Zeit Freundschaften entstanden, auch wenn sich „die Ausgehgewohnheiten schon sehr unterscheiden“, wie der Sinologe lächelnd erzählt: „Wir Europäer ziehen ja schon mal länger um die Häuser. Bei den Chinesen fängt das früher an, sie gehen dann essen und nach dem Karaokesingen ist Schluss. Da wirken wir Europäer vielleicht etwas zügellos und derb.“

Von den Unterschieden der politischen Systeme war für Ohliger im Alltag dagegen weniger zu spüren. „Unter der Hand äußern sich auch die Chinesen kritisch.“ Im Berufsleben hat er aber gelernt, die Tabuthemen zu meiden: Religion, Japan und alles Kritische über die Regierung. „Die Chinesen werden halt von Kindesbeinen an patriotisch erzogen.“

Zweimal im Jahr kehrt der Burscheider in seine Heimatstadt zurück, in der neben vielen Freunden auch noch seine Eltern und die beiden älteren Geschwister leben. Und noch plant er auch, mittelfristig wieder ganz zurückzukommen. „Aber wenn sich in den nächsten Jahren ein super Job in China ergibt, würde ich noch eine Zeit dranhängen“ — auch wenn Reissuppe zum Frühstück ein deutsches Brötchen nur schwerlich ersetzen kann.

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