Eindrucksvolles Zeitbild: Volker Heises Dokumentarfilm „Berlin 1933 – Tagebuch einer Großstadt“ : Wie Deutschland zur Diktatur wurde
BERLIN Vor genau 90 Jahren, am 30. Januar 1933, wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Kaum im Amt, bittet er einige Generäle der Wehrmacht Anfang Februar 1933 zum Gespräch. Generalleutnant Curt Liebermann notiert anschließend die Ziele, die Hitler für seine Herrschaft nannte: die „Beseitigung des Krebsleidens der Demokratie“ und die „Eroberung von Lebensraum im Osten“ im Zuge der „Germanisierung“.
Vize-Admiral Otto Groos ist der Ansicht: „Es wurden keine politischen Ziele verkündet, die hätten bedenklich stimmen können.“
Volker Heise montiert in seinem zweiteiligen Dokumentarfilm „Berlin 1933 – Tagebuch einer Großstadt“ Archivbilder, Spielfilm-Ausschnitte, Radio-O-Töne und Zitate aus Tagebüchern, Briefen und offiziellen Dokumenten zu einem vielstimmigen Zeitbild des Jahres, in dem sich Deutschland in einem erschreckenden Tempo in eine Diktatur verwandelt. Der chronologisch geordnete Ritt fühlt sich wie eine Warnung für die Gegenwart an.
Heise, der sich einen „Gegner von pädagogischen Filmen“ nennt, verzichtet auf eigene Kommentare – bis auf eine kurze Einführung zu Beginn – und auf Experten-Interviews. Der Reiz eines solchen Formats liegt darin, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer den im Film zitierten Protagonisten das Wissen um den Fortgang der Geschichte voraus haben. Manches wirkt heute erschütternd naiv, anderes bewundernswert hellsichtig. Betty Scholem, die im deutsch-jüdischen Bürgertum fest verwurzelt ist, schreibt ihrem Sohn noch Ende Februar, für Juden sei ja zunächst nichts zu befürchten. Die jüdische Ärztin Hertha Nathorff notiert bereits am 31. Januar über die Hitler-Verehrung ihrer Patienten: „Ich höre, wie sie an ihn glauben, glauben wollen, bereit, ihm zu dienen.“