Skulpturenpark Wuppertal Die kolossalen Köpfe der Hede Bühl

Tony Cragg zeigt die Werke der Düsseldorfer Bildhauerin im Skulpturenpark Waldfrieden.

Vor der großen Glashalle im Skulpturenpark Waldfrieden steht „Wächter“, eine silbern glänzende, hoch aufragende Standfigur. Sie scheint tatsächlich die Ausstellungshalle bewachen zu wollen. Kerzengerade steht sie da in poliertem Aluminium. Sie hat weder Arme noch Beine, Mund und Nase. Die Schultern sind schmal. Der Körper scheint sich in sein Inneres zurückzuziehen. Geht man um sie herum, so sieht man eine Stütze, fast wie ein Rückgrat. Ein strenges Kreuz entsteht durch Bandagen. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Handlungsunfähig, und doch ganz präsent. Ein sinnvoller Vorbote in die Ausstellung von Hede Bühl.

Die Skulpturen im Innenraum sieht man schon von weitem. Kopfgeburten sind es. Mächtige Wesen voller gebannter Kraft. Nichts Realistisches haben sie an sich. Keine Abbilder sind es von irgendeinem Menschen, eher Sinnbilder. Wo man beim Menschen die Schläfen vermutet, befinden sich Dellen. Zuweilen ahnt man auch Augenhöhlen. Das Gerüst erinnert an die Knochen eines Schädels. Wären da nicht die Bandagen, diese breiten Bänder, die die innewohnende Kraft zusammenhalten.

Tony Cragg hat diese Bildhauerin wiederentdeckt. Seit zwei Jahren steht sein Ankauf im Park. Besucher gehen daran vorbei und wundern sich, weil sie die Autorin nicht kennen. Mit leichter Ironie pflegt der berühmte Bildhauer seinen Begleitern zu erklären: „Das ist Hede Bühl, eine ganz junge, frische Bildhauerin.“ Ein Witz, der die 78-Jährige schmunzeln lässt.

Sie lässt sich nicht verbiegen, hält nichts von Trends, von Installationen, von Pop, vom Minimalismus. Sie hält zu ihren Köpfen, diesen beklemmend schönen Werken. Und Tony Cragg, der diese Werke präsentiert, erklärte bei der Preview: „Es ist für uns eine riesige Freude, dass wir die Ausstellung inszenieren dürfen. Es ist ein sehr schönes Ereignis in unserer Geschichte des Parks.“

Kraftvoll bei aller Ruhe stehen sechs kapitale Köpfe in der Halle

Im Ausstellungsraum sind sechs monumentale Schädel zu sehen. Seit 1967 tauchen Bänder und Einschnürungen auf, von denen die eingedellten Skulpturen gehalten werden. „Der Kopf ist das komplizierteste und Erhabenste, was wir im Universum kennen“, meinte Tony Cragg. Hede Bühl sei nicht bei der bloßen Darstellung eines existierenden Modells stehen geblieben. Sie habe den Kopf weiterentwickelt. Kraftvoll bei aller Ruhe stehen die Werke da. Abgeschlossen und klar in ihrer Symmetrie. Und sie behaupten sich.

Tony Cragg geriet fast ins Schwärmen, als er meinte: „Großartige Figuren sind es, eine großartige Qualität haben sie.“ Und dann wurde er angriffslustig: „Die armseligen Minimalisten sind nicht genug für mich. Hede Bühl hat sich eine formale Stärke angeeignet, die ich bewundere.“

Indirekt macht Tony Cragg den Museen den Vorwurf, dass sie vor dieser Kunst die Augen verschließen. „Eigentlich“, so Cragg, „gehört eine solche Ausstellung in ein Düsseldorfer Museum“. Ob den dortigen Direktoren die Ohren geklungen haben, wagen wir zu bezweifeln.

Und Hede Bühl? Sie blieb bescheiden. Es sei Schicksal gewesen, dass sie zur Bildhauerei gefunden habe. Sie habe schon in der Schule Skulpturen gemacht und viel gezeichnet. Darin hätte man an der Kunstakademie Düsseldorf ihre bildhauerischen Fähigkeiten entdeckt.

Kein Wort zu ihrem Lehrer Joseph Beuys. Kein Wort zu den Kollegen in der Golzheimer Künstlersiedlung. Stattdessen eine große Geste: Sie schenkte Tony Cragg für seine Sammlung ein Unikat, einen zauberhaften Kopf aus Alabaster von 1995. Ein feinfühliges Werk, das an den Wachsbildhauer Medardo Rosso erinnert. Es gehört nicht zur Ausstellung, lässt sich aber durch die Fensterscheibe in der Villa Waldfrieden bewundern.

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