Buddenbrooks mit Goldrand

Heinrich Breloer bringt Thomas Manns Nobel-Werk stimmungsvoll auf die Leinwand. Dabei geht ihm leider der Tiefgang verloren.

Düsseldorf. Das Glöckchen klingelt, die Kerzen leuchten und der kleine Hanno betritt mit glänzenden Augen das Weihnachtszimmer. Alles ist, wie es immer war im großen Haus des Lübecker Konsuls. Und doch schwebt der Niedergang über der Familie Buddenbrook. Christian, der einstige Hallodri und erfolglose Kunstliebhaber, geht inzwischen am Stock.

Eindringlich rät er seinem Neffen, der sein Geschenk - ein Figurentheater - bestaunt: "Halt Dich ans Leben, nicht an das Theater." Hanno ist das letzte Glied dieser Kette. Mit ihm stirbt die Familie, mit ihm stirbt die Idee, dass Tradition, Moral und Pflichtbewusstsein stabilen Erfolg bringen.

Pünktlich zu Weihnachten startet Heinrich Breloers Verfilmung des Klassikers, für den Thomas Mann einst den Literatur-Nobelpreis erhielt. Breloer hätte sich keinen besseren Termin wünschen können. Denn nicht nur die Bilder um den Buddenbrook-Christbaum sind in weiches Gold und plüschiges Rot getaucht.

Wie ein Bilderbuch aus dem 19. Jahrhundert schlägt er Kapitel nach Kapitel auf, lässt Ballkleider rauschen, Ostseewellen brechen und Kornfelder wogen. In dieser Kulisse tummelt sich die Riege bekannter Schauspieler, die ihre Sache gut macht, der man gerne zusieht. Doch in den Sog des Niedergangs vermögen Darsteller und Bilder einen nicht zu ziehen. Die Zerrissenheit der Figuren bleibt auf der Strecke, ihre inneren Monologe, die sezierende Sprache - der Ton Thomas Manns findet keinen Widerhall.

Nacheinander handelt Breloer die Protagonisten ab: Tony (Jessica Schwarz), ihre kurze Liebe und eine Serie missglückter Partien, die Schande über die Tochter und der Firma finanzielle Einbußen bringen. Der Gegensatz zwischen ihrem ungestümen Wesen und dem des Vaters, dem strengen Kaufmann Jean Buddenbrook (Armin Mueller-Stahl), der stets mit Maß durchs Leben schreitet, stellt Gefühl und Vernunft vor, die widerstreitenden, an den Menschen zerrenden Kräfte.

Im Verlauf der ziemlich langen 150 Minuten übernehmen die beiden Brüder die Verkörperung dieser Pole. Thomas (Mark Waschke), der den Tod im Nacken spürt, ihn mit den Waffen eines Kaufmanns zu schlagen versucht und verliert. Und Christian (August Diehl), der so schwer schluckt an der Familienlast, dass ihn die Halsmuskeln schmerzen und nur Schauspiel, Frauen und Alkohol Linderung bringen.

In seinem ersten Spielfilm fällt es Breloer nur selten ein, wie er cineastisch erzählen könnte, was Mann virtuos beschreibt. In einer Szene liefert sich der erwachsene Thomas ein Kutsch-Rennen mit seinem Kinderfreund und Widerpart Hermann Hagenström (Fedja van Huêt). In einem schnellen Schnitt blendet Breloer in die Kindheit, in Schwarzweiß erscheinen die wetteifernden Jungen. Hier gelingt, was man sich von der Adaption gewünscht hat: keine chronologische Nacherzählung, sondern dramatische Verdichtung, eigenständige Bilder.

Stattdessen gibt es jede Menge Ausstattung: Frauen in schönem Putz, Lübeck wie aus dem Freilichtmuseum und Schauspieler, denen Maskenbildner aufwändig Falten ins Gesicht und graue Strähnen ins Haar geklebt haben. Das alles ist nicht schlecht gemacht, doch bei den Namen Thomas Mann und Heinrich Breloer liegt die Messlatte eben höher.

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