Gedopte Springpferde: Um Vertrauen und Millionen

Doping: Nach der Auflösung der Kader und der Sperrung der Sporthilfegelder kämpft der Pferdesport um seine Glaubwürdigkeit.

Düsseldorf. Dass das Glück dieser Erde nur auf dem Rücken der Pferde zu finden ist, vermag sich selbst die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) inzwischen gar nicht mehr vorzustellen. Der olympische Vorzeigesport kämpft mit der bislang größten Glaubwürdigkeitskrise seiner Geschichte.

Dass auch Ex-Champion Paul Schockemöhle seine Pferde nicht gerade zurückhaltend trainierte, um sie über turmhohe Hindernisse zu treiben, ist lange bekannt. Dass Ludger Beerbaum aber mehr oder weniger zufällig in die Interviewfalle tappte, überraschte schon. Er habe sich "im Laufe der Jahre darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht", sagte der berühmte Springreiter in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen". In der Vergangenheit habe er die Haltung gehabt: "Erlaubt ist, was nicht gefunden wird." Auch der Nachsatz, "das ist heute natürlich nicht mehr aufrecht zu erhalten", minderte die enorme Sprengkraft seiner Äußerungen nicht.

Helle Aufregung, die FN sah sich gezwungen, umgehend zu reagieren. Schließlich ist Ludger Beerbaum nicht irgendwer sondern viermaliger Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen. Die nur vermeintlich edlen Reitersleute hatten schon den peinlichen "Fall Christian Ahlmann" hinter sich, der seinen Cöster in Hongkong bei den Olympischen Spielen mit unerlaubten Salben "gepflegt" hatte. Jetzt hatte Reiterpräsident Breido Graf zu Rantzau nichts Dringenderes zu erledigen als alle Kader aufzulösen. Schließlich will sich der oberste Reiter nicht vorwerfen lassen, bei fortgesetzten Dopingproblemem untätig zu sein.

Die Stiftung Deutsche Sporthilfe reagierte und stellte die Förderung der Athleten umgehend ein. "Das ist keine dramatische Strafaktion sondern eine formale Reaktion darauf, dass es keine Kader mehr gibt. Wenn die FN ihre Kader wieder bildet, fließen auch die Gelder der Sporthilfe wieder", sagt Sporthilfe-Pressechef Hans-Joachim Elz im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Reiter kommen auch ohne Sporthilfe klar, im Jahre 2007 flossen lediglich 201000Euro an den Verband.

Dass die FN die Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) unter Leitung des früheren Verfassungsrichters Udo Steiner mit der Klärung der Vorwürfe beauftragte und keine eigene Kommission ins Leben rief, könnte die Aufklärung nicht unerheblich verzögern. Die DOSB-Kommission tagt erst Mitte Juli, FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach begründet dies mit "notwendiger sorgfältiger Vorbereitung". Wann mit Entscheidungen zu rechnen ist, bleibt offen.

Es geht um viel Geld und es steht viel auf dem Spiel: das Ansehen des Pferdesports, in dem sich Manipulationen offenbar wie ein Flächenbrand ausgebreitet haben, Fernseh-Gelder und millionenschwere Sponsoren-Investitionen. Ende Juni startet das Weltfest des Pferdesports, der CHIO in Aachen. In der Soers wird die Krise aufmerksam verfolgt, Einbußen aber nicht befürchtet.

Die DOSB-Kommission soll klären, wie intensiv sich die Reiter in der Vergangenheit an die Antidoping-Regeln gehalten haben. Auch Funktionäre werden überprüft. Wer geständig ist, darf auf Milde hoffen, wer sich erwischen lässt wird bestraft. Nur wer eine Unbedenklichkeitserklärung von Steiner erhält, darf zukünftig bei Europa- und Weltmeisterschaften und bei Olympia für Deutschland um Medaillen kämpfen. Zeit haben die Richter kaum, Ende August finden in Windsor die Europameisterschaften statt.

Die Medikation der Pferde muss zukünftig minutiös aufgezeichnet werden. Beerbaum schlug am Mittwoch, den Pferden zur Dokumentation von Medikationen einen Datenchip einzupflanzen: "Man sollte das prüfen." Im Wettkampf dürfen sich keine körperfremden Substanzen nachweisen lassen. Wird etwas entdeckt, entscheidet der Internationale Verband FEI, ob es sich um leistungssteigerndes Doping oder verbotene Medikation handelt. Deutsche Tierschützer wollen in die Doping-Aufarbeitung eingebunden werden. "Ein nettes Gespräch und danach alles wie gehabt weiterlaufen zu lassen, reicht nicht", sagt Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

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