Kabinenzoff stört Frankreichs neuen Frieden

Donezk (dpa) - Frankreichs neuer Frieden ist schon wieder dahin. Ein lautstarker Kabinenzoff und atmosphärische Spannungen störten die Vorbereitung auf das EM-Viertelfinale gegen Spanien - und weckten böse Erinnerungen an das WM-Debakel WM 2010.

Nationaltrainer Laurent Blanc und Hatem Ben Arfa gerieten nach der 0:2-Pleite gegen Schweden aneinander, der unzufriedene Mittelfeldspieler bot laut der Sporttageszeitung „L'Équipe“ sogar seine sofortige Heimreise an. Auch zwischen Samir Nasri und Alou Diarra krachte es.

„Es wurden schwere Geschütze aufgefahren“, erzählte Florent Malouda zu den verbalen Streitigkeiten in der Kabine, „in der Hitze des Gefechts hat das, was ich gesehen habe, alte Dämonen geweckt.“ „Bericht eines Nervenzusammenbruchs“, überschrieb „L'Équipe“ die Vorfälle, die erst am Donnerstag in ihren Details an die Öffentlichkeit gelangten.

Blanc habe Ben Arfa zur Ordnung gerufen, als der 25-Jährige direkt nach der Partie in der Umkleide mit seinem Handy herumspielte. Daraufhin beschwerte sich der ausgewechselte Profi von Newcastle United, dass andere Spieler „viel schlechter“ als er gewesen seien. Die Disharmonie zwischen Nasri und Diarra hatte einen anderen Auslöser. Diarra habe seine offensiven Mittelfeldkollegen für mangelnde Defensivarbeit kritisiert, Nasri ihn daraufhin gebeten, doch wenigstens höflich zu bleiben, enthüllte das Blatt. Franck Ribéry, der trotz eines Schlags auf die Ferse wohl nicht um seinen Viertelfinaleinsatz bangen muss, übernahm die Rolle des Schlichters.

Droht der Équipe Tricolore in ihrem Trainingslager von Kirscha nun ein ähnliches Chaos wie vor zwei Jahren? Bei der WM in Südafrika hatte zunächst Nicolas Anelka den damaligen Coach Raymond Domenech beleidigt, die Spieler bestreikten das Training in Knysna - Frankreich schied sang- und klanglos aus. „Die Blauen in Gefahr“, schrieb „L'Est Républicain“, „Kirscha nach Knysna?“, fragte das Internetportal eurosport.com bang.

Zumindest setzt das französische Team nicht wieder auf eine Schweigetaktik, sondern versuchte die Geschehnisse zwei Tage vor dem Showdown gegen Spanien öffentlich herunterzuspielen. Die Situation sei „nicht vergleichbar“ mit der WM 2010, meinte Blancs Assistent Alain Boghossian. „Es gab einen Austausch. Das ist normal in der Kabine. Das Gegenteil wäre nicht normal gewesen.“ Blanc und Ben Arfa hätten sich ausgesprochen und die Hände gereicht. „Es ist wie mit einem Ehepaar - wenn du immer alles unter den Teppich kehrst, fliegt das Ganze irgendwann auseinander“, meinte Boghossian, wie Blanc Weltmeister von 1998.

Auch der Coach selbst wollte den positiven Aspekt erkennen, dass sich seine Akteure mit ihrer jüngsten Leistung nicht zufriedengeben hätten. „Die Spieler haben gespürt, dass nicht jeder alles gegeben hat“, sagte Blanc und berichtete, dass es in der Kabine „heiß her“ gegangen sei. Verbandspräsident Noël Le Graët wertete die Reibereien sogar als „sehr gutes Zeichen“. „Ein Wort kann zum anderen führen und das kann dann zehn Minuten dauern“, meinte er im Interview der Internetseite RMC Sport über die „Worte ohne Konsequenzen“.

Der Rückfall in die längst überwunden geglaubte „Laissez-faire“- Einstellung auf dem Feld lässt vor dem ersten K.o.-Spiel Frankreichs seit der WM 2006 dennoch die Zweifel an einer möglichen Sensation gegen den Offensivwirbel der Spanier wachsen. „Die Balance ist zerbrechlich“, warnte Malouda und forderte eine andere Einstellung seiner Mannschaft: „Du kannst nicht in Sandalen nach Punta Cana (Stadt in der Dominikanischen Republik) laufen.“

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