Skandal bei der Nordischen Ski-WM Doping-Experte Sörgel: „Das ist wie beim Drogenhandel“

Düsseldorf · Der Freiburger Doping-Experte Professor Fritz Sörgel spricht über den Skandal bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld – und dessen Folgen.

 Johannes Dürr brachte den Stein ins Rollen.

Johannes Dürr brachte den Stein ins Rollen.

Foto: dpa/Roland Schlager

Herr Professor Sörgel, zum ersten Mal wurde ein Arzt, der in Zusammenhang mit Doping steht, in Untersuchungshaft genommen. Ist das der erste große Erfolg des neuen Anti-Doping-Gesetzes?

Fritz Sörgel: Auf diesen Fall hat man gewartet. Ehrlich gesagt, hatte sich aber abgezeichnet nach den Aussagen von Johannes Dürr (Anmerkung der Redaktion: Österreichischer Dopingsünder) in der ARD-Dopingdokumentation, dass da was kommt.

Die Sünder hätten gewarnt sein müssen.

Sörgel: Ja. Daran sieht man, wie unglaublich dumm und dreist sie waren. Eigentlich dachte ich auch, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Sportler während des Wettkampfes dopen.

Weil die Gefahr erwischt zu werden da höher ist als in der wettkampffreien Zeit?

Sörgel: Genau. Aber hier wurde ein Sportler vier Stunden vor dem Wettkampf mit einer Infusionsnadel im Arm erwischt. Dazu fällt einem nichts mehr ein.

Wofür spricht das?

Sörgel: Dafür, dass die Methoden so fein sind, dass man keine Angst mehr vor auffälligen Werten im Blutpass hat. Wenn man es geschickt macht, kommt man damit gut durch. Und der Arzt aus Erfurt konnte das offenbar sehr gut.

Wie lief der Transport der Blutbeutel?

Sörgel: Das ist nicht bekannt, aber es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann die Blutbeutel in einer Kühlbox transportieren, die man an den Zigarettenanzünder im Auto anschließt. Das ist dann quasi wie Camping. Wenn es sich tatsächlich um ein internationales Netzwerk handelt, wie einige mutmaßen, kann es auch sein, dass man Lagerungsmöglichkeiten sogar am Ort des Wettkampfes oder nahe zu dem hatte.

Was spricht aus Ihrer Sicht für ein Netzwerk?

Sörgel: Einmal spricht dafür, dass mehrere Nationen beteiligt waren. Sportler aus Österreich, Estland und Kasachstan und ein deutscher Arzt. Dazu war dieser Arzt ja offenbar nicht selbst vor Ort, sondern hatte zwei Handlanger geschickt, was ja ein Risiko birgt, weil sich der Kreis der Mitwisser erhöht. Offenbar war der Bedarf da, mehrere Leute damit zu betrauen. Das ist wie beim Drogenhandel.

 Doping-Experte Fritz Sörgel ist über den Erfolg erfreut.

Doping-Experte Fritz Sörgel ist über den Erfolg erfreut.

Foto: picture alliance/dpa/Daniel Karmann

In seiner Zeit beim Rad-Team Gerolsteiner hat ihn bereits der verurteilte Dopingsünder Bernhard Kohl 2008 als Mitwisser genannt. Hätte man damals schon die Möglichkeit der Strafverfolgung gehabt wie heute – hätte es diesen Fall nicht gegeben?

Sörgel: Das ist schwer zu sagen. Aber wichtig ist, dass die Staatsanwaltschaften die Mittel und Mitarbeiter zur Verfügung bekommen, solche Fälle aufzudecken. Das kostet Zeit und Geld.

Haben Sie die Hoffnung, dass die Verhaftung abschreckend wirkt?

Sörgel: Auf den Großteil der Athleten schon. Es ist ein schönes Beispiel und eine Warnung: Zu unterschätzen ist das System der Strafverfolgung nicht. Aber Leute, wie die hier betroffenen, schreckt gar nichts ab. An der Weltspitze, gleich welcher Disziplin, sind Menschen mit diesem Selbstzerstörungswillen die Regel.

Da hilft auch nicht der Verweis auf zahlreiche Nebenwirkungen.

Sörgel: Das ist ja das perfide. Seitdem man immer mehr an die Grenzwerte herangeht, bis zu denen ja die Blutwerte physiologisch und gefahrlos sind, sind auch die Nebenwirkungen gesunken. Früher hat man beim Blutdoping reingefüllt, was ging. Das Blut wurde immer dicker und das Risiko eines Schlaganfalles war hoch. Was weiter bleibt, ist die Gefahr einer Infektion durch fehlende Sterilität und die schmerzhafte Prozedur. Beim Blutdoping verwendet man riesige Nadeln. Die Sportler, die das machen, berichten, dass es ihnen nicht wohl zumute dabei ist – abhalten tut sie das aber nicht.

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