Landtagswahl NRW Koalitionspoker in NRW: So könnten neue Regierungen aussehen

Vieles ist bereits ausgeschlossen, eine große Koalition in NRW ist nach der Landtagswahl wahrscheinlich — aber längst nicht sicher. Wir werfen einen Blick auf die Möglichkeiten, die sich im neuen Landtag bieten könnten. Und darauf, wie wahrscheinlich sie sind.

Landtagswahl NRW: Koalitionspoker in NRW: So könnten neue Regierungen aussehen
Foto: dpa

<h2>Rot-Grün

Ist die aktuelle NRW-Regierungskoalition (und in Bremen, Hamburg, Niedersachsen), aber eben kaum mehr die Zukunft. Den Grünen droht der Prozentpunkte-Absturz, außerdem würde es in einem möglichen Sechs-Parteien-Parlament eng werden für ein Bündnis mit nur zwei Parteien. Sowohl Hannelore Kraft (SPD) als auch Sylvia Löhrmann (Grüne) würden das Bündnis gerne fortführen, haben sich über die Streitereien ihrer Parteifreunde aber dann doch ansehnlich auseinander treiben lassen. Inzwischen glauben die Grünen selber nicht mehr wirklich daran, Regierungspartei zu bleiben. Meinungsforscher sagten ihnen zuletzt lediglich sechs bis siebeneinhalb Prozent der Stimmen voraus.

Als Christian Lindner (FDP) sich bei der TV-Diskussion im WDR an seinen Duz-Kollegen Armin Laschet wandte, der gerade mit Kraft diskutierte, ätzte Lindner: „Entschuldigung, dass ich die Koalitionsverhandlungen unterbreche!“

Fernab der Realität ist das nicht mehr: Weil viel bereits ausgeschlossen ist und CDU und SPD nicht allzu fern voneinander unterwegs sind, deutet in NRW nach Sonntag viel auf eine große Koalition hin. Laschet (CDU) und Kraft (SPD) können durchaus miteinander. Der CDU-Spitzenkandidat könne „notfalls auch als Juniorpartner“ mit der SPD arbeiten, sagte er vor Wochen. Inzwischen hat Laschet aber das Selbstvertrauen getankt, auch das Amt des Ministerpräsidenten in dieser großen Koalition für erreichbar zu halten. Die GroKo gibt es im Bund, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen.

Diese Kombination (regiert in Rheinland-Pfalz) wird es nicht geben, weil die NRW-FDP sie per Parteitagsbeschluss für NRW (und wohlgemerkt nicht für den Bund) ausgeschlossen hat. Man wolle einer gescheiterten Regierung nicht zur Verlängerung verhelfen, begründete FDP-Chef Christian Lindner.

Die konservativ-liberale Koalition ist die Wunschlösung der beteiligten Parteien, wobei Lindner in den jüngeren Tagen auffällig oft von der FDP als künftige Oppositionspartei schwadronierte — in dem Wissen, durchaus als Überraschungssieger für Sonntag in Frage zu kommen. Vielleicht aber auch mit der Erkenntnis, dass der FDP mit und nach der Wahl erst recht ohne Lindner das Personal für eine Regierungsbeteiligung fehlen könnte. Plötzlich stünden Politiker in der ersten Reihe, die zuvor im Schatten des Parteichefs kaum Licht sahen. Das scheint Lindner selbst nicht geheuer. Dennoch scheint diese echte Wechsel-Koalition nicht mehr ausgeschlossen. Es müsste aber sehr viel sehr gut für beide laufen. So dürfte sich das Parlament kaum auf sechs Parteien aufteilen.

Inzwischen ist auch dieses lange schwelende Bündnis ausgeschlossen, weil die Grünen sich solche Verhandlungen per Parteiratsbeschluss am jüngsten Wochenende formal verboten haben. Ganz anders als in Schleswig-Holstein, wo dieses Bündnis nach der Landtagswahl am vergangenen Sonntag derzeit zu entstehen scheint. Aber: Die NRW-Grünen wollen der Politik von CDU und FDP „nicht zur Macht verhelfen“, heißt es in dem Papier. Die CDU stelle Klima- und Umweltschutz als wirtschaftsfeindlich dar, die FDP stehe für Marktradikalität und das „Ende der Solidarität“. Hatte Laschet mit integrations- und flüchtlingspolitischen Positionen zunächst noch engen Kontakt zu einigen Spitzen-Grünen gehalten, ging er mit steigenden CDU-Werten und der zunehmend harten Linie in der Sicherheitsfrage immer mehr auf Distanz.

Wird aller Wahrscheinlichkeit nach genauso wenig für ein Regierungsbündnis reichen wie Rot-Grün — und ist zwar formal nicht ausgeschlossen, wohl aber moralisch für beide Seiten. „Wir wollen nicht mit Herrn Laschet in eine Regierung“, hat Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann gesagt. Laschets stetes Plädoyer für grüne Wirtschaftsfeindlichkeit führt eine solche Konstellation ad absurdum. Der „Kiwi“ wird wohl keine NRW-Frucht — anders als in Hessen und Baden-Württemberg.

Das theoretisch denkbare rot-rot-grüne Bündnis (gibt es in Berlin und Thüringen) gilt als unwahrscheinlich, nachdem SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Linken wiederholt Regierungsunfähigkeit bescheinigt hatte. Der politische Dammbruch wäre auch ein gefährlich eindeutiges SPD-Zeichen für die Bundestagswahl. Sowohl Linke als auch Grüne stünden dem Bündnis derweil positiv gegenüber. Linken-Landeschefin Özlem Demirel sagte unserer Zeitung: „Wir gehen davon aus, dass Frau Kraft nach der Landtagswahl mit uns sprechen muss.“ Inzwischen ist das fraglich: Möglich, dass sogar einer der Partner im nächsten Landtag gar nicht vorkommt.

Als zeitgleich der so genannte Schulz-Zug durch die Republik raste und die FDP in NRW in den Umfragen über sich hinauswuchs, schwang sich dieses aktuell nirgendwo verwirklichte Bündnis zu einer Art Favorit auf. Das hat sich gelegt: Beide Parteien haben sich mehrfach ihrer Abneigung versichert. Gleichwohl haben weder Kraft noch Lindner sich gegen ein solches Bündnis positioniert. Laschet ist gar sicher, dass die „FDP es machen würde, wenn die SPD das will“. Aber: Lindner wirft Kraft „katastrophal falsche Entscheidungen“ vor, vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die SPD müsste die FDP teuer einkaufen. Sonst blieben die Liberalen wohl lieber in der Opposition.

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