Neues Selbstbewusstsein im Tal

Der satirische Jahresrückblick

Gerade als man fehlerfrei die richtige Jahreszahl schreiben konnte, ist das Jahr schon wieder passé. 2010 ist Geschichte und war für die meisten Bürger nicht ganz so schlecht wie prognostiziert. Die Wirtschaft floriert, die Deutsche Bank gibt atemberaubende 2,2 Prozent für eine einjährige Festgeldanlage und den Bundespräsidenten hat es vom Stuhl gerissen. Er hielt seine Weihnachtsansprache ob seines jugendlichen Alters stehend — und vor menschlicher Freiwilligenkulisse. Junges deutsches Stehvermögen!

Ganz so selbstbewusst sind die Wuppertaler noch nicht. Kein Wunder, entfernt uns doch jedes weitere Jahr vom gewünschten Strukturwandel, schreitet der Alterungsprozess kontinuierlich voran und macht das Tal zu einer sterbenden Stadt. Wo sind die Perspektiven? Das Leuchtturmprojekt Nordbahntrasse entfernt sich täglich weiter von der Realisation, seit die Stadt die Federführung übernommen hat. Obwohl der rührige Baudezernent Frank Meyer erst kürzlich in den schneeverhangenen, bergischen Himmel posaunte: „Ich will bauen“, wird diesbezüglich lediglich extern — und sicher nicht kostenneutral — begutachtet, weil die Kapazitäten der Stadtverwaltung dazu nicht ganz ausreichen. Das konnte man natürlich vorher nicht ahnen.

Aber spätestens beim Umbau des Döppersberg werden genügend Kapazitäten frei, da sind wir Wuppertaler ganz sicher. Hier geht es um noch mehr Geld, was wir gar nicht haben. Weil aber die Umbaukosten laut OB „gedeckelt“ sind, kann uns wenigstens finanziell nichts passieren. Dies ermutigte unsere Einwohner zu einem weihnachtlichen Kaufrausch. Wenn sogar der eher pessimistische Einzelhandel öffentlich über gute Geschäfte jubelt, dann müssen sie schon sehr lukrativ gewesen sein. Die Käufer haben also begriffen, dass es sich am Abgrund ganz ordentlich leben lässt. Und das beweist wiederum, dass der als zurückhaltend bekannte, pietistische Wuppertaler durchaus Sinn für Humor hat.

Während Gutachter schon immer wussten, dass im Tal für wenig Effizienz eine gute Mark zu verdienen ist, kommen immer häufiger auch Bankräuber zur Visite. Der Letzte legte der Sparkasse sogar einen dezidierten Wunschzettel vor. Dass dieser in astreinem Hochdeutsch verfasst war, macht Hoffnung. Bleibt nur die Frage, wo der Mann geparkt hat. Hoffentlich nicht im neu eingerichteten, gut versteckten Parkverbot am Islandufer, denn dann wird es teuer. Aber nicht alles läuft glatt. Während noch im Februar einige freiwillige Männer das Zoo-Stadion vom Schnee befreiten, damit der WSV danach sein Heimspiel glatt verlieren konnte, wird heuer das traditionelle Südhöhen-Turnier wegen schneebedingtem Parkplatzmangel erst gar nicht angepfiffen. Also dann, ab in die Loipe, um Kalorien zu verbrennen. Gut gespurt und ohne Stau mit den Langlauf-Skiern über die Südhöhen. Frei nach dem Motto: Lieber in der Loipe schwitzen, als unten in der Greute sitzen. Die nächste Badesaison kommt bestimmt.

So geht das Jahr 2010 zu Ende. Ob Silvester angesichts der Wetterverhältnisse stattfindet, weiß noch keiner. Falls doch, wird das restliche Geld an Wuppertals Himmel verbrannt. Dass der dadurch produzierte Feinstaub locker das übersteigt, was ab März durch die verschärften Umweltgesetze eingespart werden soll, wird uns nicht stören. Der Staub ist bis dahin ja wieder weg. Ob das mit dem Schnee genau so läuft? In diesem Sinne: Prosit Neujahr, Ehrenwort.

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