Abenteuer-Tour durchs Räuberland

Frischer Sauerampfer, historisches Märchenschloss, aufregende Überraschungen. Eine Reise nach Unterfranken.

Heimbuchenthal. Kräuterhexe aus dem Spessart — wie oft mag Birgit Ripp das schon gehört haben?

Die Unterfränkin lächelt. Überhaupt hat sie allen Grund, um zu strahlen. „Ich bin ein echtes Spessart-Kind“, meint die „Pflanzenmutti“ mit den roten Haaren. Man spürt sofort: Gänseblümchen, Brennnessel und Scharbockskraut hat sie fest in ihr Herz geschlossen. Und was andere kaum beachten oder gar mit Füßen treten, preist sie an, als läge ein Barren Gold am Wegesrand.

Dabei wurde ihr die Idee, Kräuterführungen anzubieten, frei Haus geliefert. „Ich habe zum 40. Geburtstag selbst eine Kräuterwanderung geschenkt bekommen.“ Als der Rundgang vorbei war, ging es erst so richtig los. „Ich fand die Führung so toll, dass ich sofort dachte: Das wäre auch was für mich!“

Gedacht, getan: In Freiburg im Breisgau hat sie sich zur Kräuterpädagogin ausbilden lassen. „Vorher war ich Bürokraft. Jetzt möchte ich nie mehr tauschen.“ Kein Wunder: Wenn sie beim Wandern am Langen Grund von Bärlauchbutter, Brennnesselsuppe und Rosmarinzwieback schwärmt, blüht sie sichtlich auf.

Wer mit allen Sinnen die Natur entdecken möchte, kann im Räuberland (so hat der Touristikverband die Region offiziell getauft) am besten zweierlei tun: Entweder eine Truppe fröhlich singender Schauspieler buchen, die als Räuber einen Überfall im Wald inszenieren — also mit Witz, Musik und Hochprozentigem noch mehr Stimmung in jede Wandergruppe bringen. Oder eben mit Birgit Ripp auf Wildkräuter-Jagd gehen.

Sauerampfer steht ganz oben auf ihrer Liste: „Er ist ein typischer Bestandteil der grünen Soße aus Frankfurt. Am liebsten nehme ich ihn aber für Quark.“ Doch auch Beifuß („Regt die Verdauung an!“), Johanniskraut („Ein gutes Nervenmittel!“) und Löwenzahnsalat („Hat viele Bitterstoffe und ist eine tolle Frühjahrskur!“) charakterisiert sie so liebevoll, dass die Wirkung nicht verfehlt wird: Schon beim bloßen Zuhören läuft das Wasser im Mund zusammen.

Einen speziellen Tipp hat Birgit Ripp ebenfalls parat: „Wenn man bei den Brennnesseln vier oder fünf Blätter vorsichtig von oben pflückt, verbrennt man sich nicht so schnell die Finger.“ Falls doch, könnte womöglich ein Aufgussgetränk die Schmerzwahrnehmung minimieren.

Apropos Tee: Die richtige Mischung macht’s. Und die könnte sich zum Beispiel aus Birkenblättern, Walderdbeeren, Brombeeren und Himbeeren zusammensetzen: „Am besten legt man alles auf ein Tuch. Wenn es dann richtig raschelt, ist es trocken.“

Auch Huflattich ist das ideale Sammelziel für den geneigten Teetrinker: „Er ist ein wahnsinnig gutes Hustenmittel und sehr schleimlösend“, weiß Ripp. „Er ist so genügsam, dass er sogar auf reiner Braunkohle wächst.“

Davon ist im Wald bei Mespelbrunn freilich nichts zu sehen. Stattdessen wächst, was wilde Gaumenfreuden verspricht: „Es findet sich zu jeder Jahreszeit etwas.“ Und so muss auch niemand Hunger leiden: In ihrer Kräuterhütte bietet Birgit Ripp Kochkurse an — natürlich mit Zutaten frisch aus dem Wald.

Wilhelm Hauff lässt grüßen: Das beschauliche Mespelbrunn wird zwar nur von 2100 Einwohnern belebt, hat dafür aber das romantischste Wahrzeichen des Spessarts zu bieten — ein Märchenschloss, in dem sich schon Liselotte Pulver in den 50er Jahren rollengemäß der Liebe widmete und bis heute Brautpaare ein- und ausgehen.

Die Kulisse ist in der Tat filmreif: „Das Wirtshaus zum Spessart“ hat Schloss Mespelbrunn weltberühmt gemacht. Der Drehort befindet sich in Privatbesitz, kann aber von März bis November besichtigt werden. Das Schloss liegt in einem verschwiegenen Tal zwischen Frankfurt am Main und Würzburg.

Auch das nahe Aschaffenburg besitzt kulturelle Schätze: sieben städtische Museen, vier historische Parkanlagen und Schloss Johannisburg. Das Renaissance-Gebäude diente bis 1803 als Nebenresidenz der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten.

Nicht weit davon lockt ein Kontrastprogramm: das Pompejanum. König Ludwig I. von Bayern ließ das römische Wohnhaus als Idealbau rekonstruieren, inspiriert durch die Ausgrabungen in Pompeji. Erstaunlich, dass das antike Rom in Aschaffenburg greifbar nahe zu sein scheint.

Die 70 000-Einwohner-Stadt, Heimat des Malers Ernst Ludwig Kirchner, ist auch sonst für Überraschungen gut. Wer hätte vermutet, dass die größte Kneipendichte gemessen an der Bevölkerungszahl nicht in München, sondern in Aschaffenburg anzutreffen ist? Darauf einen Äppelwoi!

Oder auch einen Huflattich-Tee. Wobei am Ende klar sein dürfte: Birgit Ripp ist keine Kräuterhexe, eher eine Kräuterfee. So belohnt sie ihre Mitwanderer mit einer ungewöhnlichen Mischung: Sekt, Bärlauchbutter und Rosmarin-Käsecracker. „Rosmarin macht wach und hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge“, sagt die Unterfränkin.

Ja, in der Tat: Das Räuberland ist ein äußerst geschmackvoller Landstrich.

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