Der Neue bittet zum Fest

Viele Fragen an Christian Wulff – und die Antworten des neuen Staatsoberhaupts. Lob für Amtsvorgänger Horst Köhler.

Berlin. Das war ein Andrang, den das Schloss Bellevue noch nicht erlebt hat. 5.000 Gäste trafen sich am Freitagabend bei bulligen Temperaturen zum traditionellen Sommerfest beim Bundespräsidenten. Viele von ihnen versuchten, einen Blick auf Christian Wulff und seine Frau Bettina zu erhaschen.

Präsident und First Lady mussten immer wieder die gleichen Fragen beantworten: Ob sie in dem Präsidenten-Palast auch wohnen werden? Antwort: Nein. Es gibt schon seit 11 Jahren keine Dienstwohnung im Bellevue; die Familie Wulff wird wohl Nachmieter von den Köhlers in deren präsidialer Dienstvilla im Stadtbezirk Dahlem.

Ob es gleichwohl "Kinderlachen im Bellevue” geben werde? Antwort: Ja. Das Staatsoberhaupt plane für den zweijährigen Sohn eine Spielecke im Arbeitszimmer mit ein.

Über den neuen Bundespräsidenten brechen viele Fragen herein: Der stets auf souveräne Außenwirkung bedachte Präsident macht einen eher unruhigen Eindruck, als er gegen 13 Uhr das Plenum des Parlaments zu seiner Vereidigung betritt.

Das Plenum ist dicht besetzt: Zwischen Rednerpult und Fraktionsbänken stehen vier Stühle: für den neuen Präsidenten und den zurückgetretenen Horst Köhler und ihre Ehefrauen. Der Hausherr, Bundestagspräsident Norbert Lammert, wendet sich zunächst dem scheidenden Präsidenten zu und zeichnet - nicht ohne Nachdenklichkeit - dessen Weg nach. Er habe es sich "nicht leicht gemacht und der politischen Klasse manchmal auch nicht”.

Ausdrücklich verteidigt Parlamentspräsident Lammert Horst Köhlers Neigung zu unbequemen Interventionen und lobt dessen Engagement für Afrika. Während seiner Rede schimmert es in den Augen des so Gewürdigten verdächtig. Und dann passiert etwas Ungewöhnliches: Als der Bundestagspräsident endet ("Sie haben sich um unser Land verdient gemacht”), applaudiert das gesamte Hohe Haus stehend - ohne irgendeine Ausnahme.

Dann der Auftritt des Nachfolgers, der über den ersten Eides-Satz stolpert. Aber Christian Wulff meistert die Situation souverän: Er sagt "Entschuldigung” und beginnt den Satz von vorne. In den 20 Minuten, in denen er zu Volksvertreter und Volk spricht, spannt er einen weiten inhaltlichen Bogen, spricht vor allem über Integration.

Spontaner Beifall bei SPD und Grünen brandet auf, als Wulff über Integration und Bildungschancen spricht und gleiche Chancen einfordert. Wulff lobt auch die Arbeit der Bundesregierung und der Großen Koalition bei der Bewältigung der Finanzkrise, was Angela Merkel mit einem dankbaren Lächeln quittiert.

Wulff wirkt sicherer, je länger er redet. Er löst sich auch vom Manuskript und appelliert, viele sollten sich für das Land begeistern. Langer Applaus bestätigt ihm am Ende, dass er den richtigen Ton getroffen hat.

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