Tage, die den Bundespräsidenten herausfordern
Seit die Jamaika-Sondierungen gescheitert sind, ist Frank-Walter Steinmeier fest entschlossen, dicke Bretter zu bohren.
Berlin. Man fragte sich bereits, wie Frank-Walter Steinmeier das aushält. Jahrelang Volldampfdiplomat und Krisenmanager. Ukraine, Iran, Nahost. Und dann bloß noch Dorftermine in Deutschland, mit Kinderchören und aufgeregten Bürgermeistern. Man fragte sich, ob er sich im Schloss Bellevue nicht fühlt wie in einem goldenen Käfig. Viel Ehre, wenig Macht. Seine bisherigen Reden verpufften, bis auf die am 3. Oktober, als er von den neuen Mauern in Deutschland sprach. Seine Reisen an die „Orte der Demokratie“ wurden allenfalls lokal beachtet. Das werde eine Präsidentschaft ohne Glanz, hieß es schon. Jetzt ist das schlagartig anders. Das seit einem Dreivierteljahr amtierende neue Staatsoberhaupt hat sein Thema gefunden: Er muss mal kurz das Land retten. Das sind jetzt die Tage des Präsidenten.
Zwei Dinge fallen auf. Erstens, wie entschlossen Steinmeier am Montag nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen auf die Krise reagiert hat. Mit einem unmissverständlichen Aufruf an alle Parteien, ihrer Verantwortung für das Land gerecht zu werden. Zweitens, wie sorgfältig er sein Vorgehen seither inszeniert. Erst die Einzelgespräche mit den Parteivorsitzenden. Er versucht, alle darauf zu verpflichten, weiter konstruktiv nach einer Lösung zu suchen. Ein Bundespräsident kann keine Koalitionsverträge vermitteln. Er kann nur erreichen, dass mehr Zeit gewonnen wird. Zeit, in der sich die Dinge vielleicht bewegen, wie das bei der SPD bereits der Fall ist. In der neue Ideen abgewogen werden, wie jetzt die einer Minderheitsregierung. So ist er auch als Außenminister mit Konfliktparteien umgegangen. Penetranz sei für den Job eine wichtige Tugend, hat er einmal gesagt.
Von jedem der Treffen im Empfangszimmer im Erdgeschoss gibt es ein offizielles Foto, das veröffentlicht wird. Auch das setzt die Gäste unter Zugzwang, weil es Erwartungen weckt. Jedes Mal die gleiche, konzentrierte Gesprächssituation. Kommende Woche folgt die nächste Stufe. Ein Treffen mit Angela Merkel, Martin Schulz und Horst Seehofer. Außerdem lädt er die Vorsitzenden aller Fraktionen im Bundestag, inklusive Linke und AfD, zu Gesprächen ein. Niemand soll ausgegrenzt werden. Und dann berät sich Steinmeier auch noch mit den Präsidenten von Bundesrat, Bundestag und Verfassungsgericht. Er will zeigen, dass er absolut nichts unversucht gelassen hat, um eine Neuwahl zu vermeiden, falls er sie am Ende doch ausrufen muss.