Begrabt mein Herz in Wuppertal Whiskeyflasche und Erbsenpistole: Eine Kindheit wie im Cowboyfilm

Uwe Becker erinnert sich an seine Kämpfe mit den Nachbarskindern.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal. Foto: Joachim Schmitz

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal. Foto: Joachim Schmitz

Foto: Joachim Schmitz

Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke plant die Bundesjustizministern Christine Lambrecht eine Verschärfung des Waffenrechts. Wegen mir könnte man auch das Waffenrecht, also das Recht auf eine Waffe, komplett abschaffen. Nur Polizisten sollten Waffen bekommen - aber auch nicht alle, sondern nur die, die auch gute Schießergebnisse vorweisen können. Und vielleicht auch Feuerwehrleute und Notärzte, die seit einigen Jahren von Vollidioten in Silvesternächten mit Raketen beschossen werden. Deutsche Soldaten sollten auch nicht zwingend bewaffnet werden, dass ging ja bei den zwei Weltkriegen schon nicht gut - einen davon haben wir gerade vor 80 Jahren erst selber angezettelt. Alle guten Dinge sind auch nicht immer drei, daher sollten wir alle wachsam werden, gerade jetzt.

Die Idee der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass Bundeswehrsoldaten in Uniform zukünftig mit der Deutschen Bahn fahren dürfen sollten, kann ich übrigens überhaupt nicht nachvollziehen. Eine mögliche Begründung, die ich im Internet gelesen habe, dass eine erhoffte Mehrpräsenz Uniformierter in den Zügen ein höheres Sicherheitsgefühl bei den Reisenden vermitteln würde, halte ich für absurd, da ich aus meiner Erfahrung als Wehrdienstleistender der 1970er Jahre und Obergefreiter der Reserve weiß, dass ein Großteil der Soldaten in Zügen der Deutschen Bahn oft betrunken ins Wochenende fahren und sich nicht selten in den Gängen und auf den Sitzen übergeben. Wenn ich mir zusätzlich vorstelle, die fröhlich beschwipsten Mitglieder unserer Verteidigungsarmee trügen dabei Waffen, wird mir auch übel.

Ich hoffe, dass die innerdeutschen Freifahrten für Soldaten vernünftig gegenfinanziert werden, in dem man den Soldaten die Flüge in die Kriegsgebiete vom Sold abzieht. Ob so eine Maßnahme allerdings die Kampfbereitschaft der Truppe erhöht, möchte ich bezweifeln. Zwinkersmiley!

In meiner Kindheit war ich eine Zeit lang Besitzer einer Erbsenpistole. 500 Gramm der harten Gemüsegeschosse kosteten damals 29 Pfennig, wenn meine Erinnerung mich nicht trübt. Die Munition reichte aus, um alle Nachbarskinder in die ewigen Jagdgründe zu befördern, ohne nur einmal nachzuladen. Als verspielter Junge dachte ich nicht darüber nach, ob man aus der Munition der Pistole besser einen schmackhaften Eintopf mit Kartoffeln und Würstchen kochen sollte.

In Wildwestfilmen zielten die bösen Soldaten immer auf die Pferde der Indianer, weil das Tier eine größere Angriffsfläche bot als der Reiter. Die Ureinwohner wurden dann oft von ihren stürzenden Pferden verletzt, brachen sich Beine, Arme oder das Genick. Es war dann für die Soldaten ein Kinderspiel, die am Boden liegenden Indianer endgültig zu töten. Die feindlichen Kinder der Nachbarschaft hatten keine Pferde, sie waren aber oft gut genährt, sodass ich sie mit meiner Waffe nicht verfehlen konnte. Ich zielte in der Regel auf ihre Hintern, weil es die absolut größte Fläche an ihrem Körper war. Auch beim Völkerballspiel waren diese Kinder sehr gerne die ersten und schnellsten Opfer.

Am Ende des Tages waren alle Kinder, natürlich auch ich, mehr als einmal gestorben und hundemüde. Unsere Mütter mussten viele Schusswunden versorgen. Oft war es nötig, die harten Erbsen, die in unseren Körper, oft bis tief ins Substanzfleisch eingedrungen waren, heraus zu operieren. Mein Vater, ein Pazifist und flammender Verfechter verbaler Kommunikation, sagte dann gerne: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Alle operativen Eingriffe und Wundbehandlungen wurden selbstverständlich ohne Narkose durchgeführt. Um den Schmerz etwas zu betäuben, durften wir einen großen Schluck aus der Whiskeyflasche der Hausbar nehmen. Genau so, wie wir es aus den Cowboy-Filmen kannten, wenn man John Wayne am offen Herzen eine Kugel entfernte.

Wenn alle Wunden versorgt waren, betete die ganze Familie dafür, dass alle Kinder die Nacht lebend überstehen würden, um am anderen Tag in die Schule gehen zu können. Und man musste ja auch fit genug sein, um einen neuen Konflikt mit den dicken, bösen Nachbarskindern vom Zaun zu brechen.

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