Begrabt mein Herz in Wuppertal Uwe Becker und die große Frage „Warum ist es am Rhein so schön?“

Wuppertal · Der Kolumnist erzählt von einer Wanderung, die keine Antwort brachte.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Warum ist es am Rhein so schön? Diese Frage habe ich mir schon als Kind oft gestellt. Als ich ab den 1960er Jahren mit meinen Eltern fernsehen durfte, hörte ich dieses Lied zum ersten Mal. Es wurde von Willy Schneider gesungen, einem damals sehr bekannten Volkssänger, den meine Mutter super toll fand. Ihr Mann, mein Vater, stand eher auf Gilbert Becaud. Meine Begeisterung für Willy Schneider hielt sich nicht nur in Grenzen, viel mehr verließ ich sofort das Wohnzimmer, wenn ich die erste Zeile des Liedes, „Warum ist es am Rhein so schön?“, hörte. Schneider sang auch das Lied „Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett gesehen“, ein für mich damals ebenso verstörender Titel.

Nun gut, eine Antwort auf die Frage, warum es denn am Rhein so schön ist, bekam ich nicht, hauptsächlich, weil ich mir das Lied nicht bis zum Ende anhören konnte. Auch bis heute hat sich daran nichts geändert. Ich musste einen anderen Weg finden, im wahrsten Sinn des Wortes übrigens, um eine Antwort zu erhalten. Also beschloss ich vor einigen Tagen, eine Wanderung am Rhein durchzuführen. Ganz klassisch mit Frau, Hund und selbstgeschnitzten Wanderstöcken – einen für meine Frau, einen für mich.

Wir haben zunächst Brote geschmiert und nur wenig in unsere Rucksäcke gepackt, damit wir unterwegs nicht unter dem schweren Gewicht auf einer Lichtung oder im Wald zusammenbrechen. Für den Hund haben wir vollfleischige Rinderringe mitgenommen, die wir ihm in den Pausen mit einem Tüpfelchen leckerer Kalbsleberwurst verfeinerten. Maja, so heißt die süße Hündin, war begeistert. Wasser gab es natürlich auch, hierfür formte ich aus meinen beiden Händen eine Schale, aus der Maja das Wasser schlecken konnte. Für unsere Wanderung suchten wir uns die linke Rheinseite aus, auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht nur die rechte Rheinseite die viel besungene „schöne“ Rheinseite ist. Ganz genau weiß ich aber bis heute nicht, ob wir links oder rechts vom Rhein gewandert sind.

Am ersten Abend, wir waren von Bonn-Mehlem aus mit unserer Wanderung gestartet und hatten schon über 20 Kilometer zurückgelegt, standen wir in einer schrecklichen Einfamilienhaussiedlung, oberhalb von Oberwinter, vor einem geschlossenen Hotel. Wir riefen dann ein Taxi, dessen Fahrer uns freundlicherweise in ein geöffnetes Hotel brachte. Nachdem wir im Restaurant des Hauses jeder ein saftiges Rumpsteak aus der Region mit grüner Pfeffersauce plus Sättigungsbeilagen (Kohlenhydrate) verköstigt hatten, kam mir die Frage „Warum ist es am Rhein so schön?“ nicht in den Sinn, sondern eher „Warum ist es am Rhein so anstrengend?“. Die gefährlichen Abstiege und Steigungen lagen oft bei 85 Prozent, was einem Winkel von mehr als 40 Grad entsprach, da hatte man für die Umgebung keine Augen. Zudem waren die Außentemperaturen nicht gerade niedrig. Die Sonne quälte Hund, Frau und mich.

Am zweiten Tag unserer fröhlichen Wanderschaft machten wir uns zunächst auf einem zweistündigen, wieder sehr anspruchsvollen Weg, der uns unserem Etappenziel Remagen näher bringen sollte. Allerdings trafen wir dummerweise und ziemlich erschöpft genau dort ein, wo wir am Morgen gestartet waren, am Hotel, wo wir am Abend vorher das Rumpsteak gegessen hatten. Wir wählten dann einen anderen Weg, der uns dem Ziel näher brachte. Am zweiten Abend fanden wir in Remagen, direkt am Rhein, ein Hotel, wo ich mir ein paniertes, tellergroßes Kalbsschnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat bestellte. Wir waren sehr verblüfft, dass die alte Dame, unsere Hündin, einen immer noch recht lebendigen Eindruck machte, obgleich der Marsch schon die reinste Tortur war. Maja überlebte, obwohl es am Ende eng wurde. In Bad Breisig einigten wir uns, die Wanderung abzubrechen, und mit dem Zug zurück nach Wuppertal zu fahren. Eine Antwort auf die Frage, „Warum ist es am Rhein so schön?“, habe ich während der gesamten Wanderung nicht erhalten. Allerdings ist meine Frau so schön, dass alles andere nun auch bemerkenswert zweitrangig ist.

Da ich aber ein neugieriger Mensch bin, habe ich jetzt einmal den gesamten Text des Liedes gegoogelt. Ich möchte sie an dieser Stelle nicht mit diesem schlimmen Machwerk belästigen, aber die ersten Zeilen des Liedes will ich ihnen auch nicht vorenthalten: „Warum ist es am Rhein so schön? Weil die Mädel so lustig und die Burschen so durstig, darum ist es am Rhein so schön!“ Is’ klar, oder?

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