Odenwaldhaus öffnet ein letztes Mal

Die Kultkneipe am Oberheidt schließt am Freitag ihre Pforten. Dort soll neu gebaut werden.

Odenwaldhaus öffnet ein letztes Mal
Foto: Stefan Fries

Sudberg. „Time to say goodbye“, Andrea Bocellis anrührender Abschiedssong, dürfte am Freitag so manchem Gast in den Sinn kommen, wenn das „Odenwaldhaus“ in Sudberg zum letzten Mal für die Öffentlichkeit geöffnet hat. Kneipenwirtin Gabriele Ehrhardt (63) die Tür endgültig abschließt, um sich ins Privatleben zurück zu ziehen. Da macht nicht nur eine Gaststätte - übrigens die letzte in Sudberg - dicht. Es geht eine Ära zu Ende, die von Gesang und Frohsinn, von Jubel und Niedergeschlagenheit nach Erfolgen und Niederlagen der Sudberger Fußballer, von Gastspielen der „Höhner“ („Ne jode Lade es dat he“ so ihr Urteil), der „Bläck Fööss“, „Smoky“ oder Chris Andrews geprägt war. Ein Ort, wo die Stars ganze Mensch waren.

„Die Münchener Jungs von der ,Spider Murphy Gang’ (Skandal um Rosie) haben mir sogar beim Spülen geholfen“, erinnert sich Gabriele Ehrhardt, an die legendären Oktoberfeste des SSV Sudberg, als das Odenwaldhaus praktisch der VIP-Raum für die auftretenden Stars war.

„Gasthaus der Chöre“ steht auf dem Schild, das die Wirtin an der Außenfassade anbringen ließ, erschallten dort doch regelmäßig die markigen Stimmen des „Sängerhains“ und des Cronenberger Männerchores. Und nicht zu vergessen, das traditionelle „Rudelsingen“, bei dem die Eingeborenen das Haus in seinen Grundfesten erzittern ließen. Aber auch die Kleintierzüchter fühlten sich bei Gabi zu Hause, ebenso wie die vielen Gäste, die die bodenständige Küche und die gepflegten Getränke zu schätzen wussten.

Gut 36 Jahre stand Gabriele Ehrhardt, die ursprünglich Jura studiert hatte, hinter dem Tresen. „Ich stand 1980 kurz vor dem Staatsexamen, da starben die Gastwirte, meine Großeltern Hertha und Heinrich Ehrhardt, kurz hintereinander. Und weil die Gaststätte seit den 1960er Jahren ihr Lebenswerk waren, habe ich mich von der Juristerei verabschiedet und das Gasthaus unter Beibehaltung der Einrichtung aus den Sechzigern mit damals 26 Jahren weitergeführt“, erinnert sich die liebenswerte Wirtin und weiß, dass an das Odenwaldhaus als Endhaltestelle der Straßenbahn auch ein Fahrkartenkiosk angeschlossen war.

„Odenwaldhaus“, der Name erinnerte Heinrich Ehrhardt an seine alte Heimat, doch die Sudberger machten es ihm und seiner Frau leicht, sich auch auf den Südhöhen zuhause zu fühlen. Die Herzlichkeit der Gäste war sicher auch ein Grund, dass Gabi Ehrhardt auf die geplante Anwalts-Laufbahn verzichtete und sich dem Zapfhahn zuwandte. Die Frage, ob sie ihre damalige Entscheidung mal bereut habe, ist für Gabi Ehrhardt keine Thema: „Es bringt nichts, über Dinge, die man ohnehin nicht ändern kann, nachzudenken“, sagt sie, weiß aber auf jeden Fall, dass ihr der Abschied von Sudberg schwer fallen wird.

Die Traditionskneipe verstand sich aber auch als Speiselokal mit Spezialitäten wie „Saure Nieren“ oder „Pferdesauerbraten“, Schnitzel und anderenorts nur noch selten angebotenen Spezialitäten. Verantwortlich dafür zeichnet seit 22 Jahren Annette Kaatz, die Köchin und treue „rechte Hand“ der Gastronomin.

Das gehört in wenigen Tagen endgültig der Vergangenheit an. „Das Gebäude wird abgerissen, und stattdessen entsteht hier ein Mehrfamilienhaus“ weiß Ehrhardt, die nach Abwicklung der Formalitäten nach Köln ziehen wird. Eine Stadt, in der sie vor 36 Jahren Jura studiert hat und deren heiterer Charakter ihrer Mentalität sicher nahe kommt. Den Abriss des „Odenwaldhauses“ möchte sie dann doch nicht live miterleben.

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