Erinnerung an das Grauen und die Warnung an die Jugend

Gedenken Etwa 500 Menschen waren am Samstag zu dem Mahnmal Kemna gekommen und gedachten der Opfer des Nazi-Terrors.

Wuppertal. Gestalt: schwächlich. Gesicht: schmal, krankhaft. Religion: Dissident. Nur scheinbar sachlich erfasste die Gestapo Personenbeschreibungen wie diese über den Wuppertaler Fritz Reis und umriss in wenigen Angaben bereits einen Katalog von Ressentiments. Fritz und sein Bruder Eugen wurden als Gegner des NS-Regimes verhaftet und im Lager Kemna misshandelt. Weil er die Folter nicht mehr ertrug, stürzte Eugen sich aus dem Fenster, kam aber nicht zu Tode, sondern blieb zeitlebens ein Krüppel.

Detlef Schmitz, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft für Wuppertal, trug am Samstag bei der großen Gedenkfeier in Kemna das Schicksal der Brüder als Manuskript unter dem Arm. Nachdem er als Pflegekind bei Eugen Reis aufgewachsen ist, sind ihm die Konsequenzen des Nazi-Terrors sozusagen in die eigene Biografie gebrannt. Wenn man der systemischen Therapie folgen darf, werden aber noch weitere Generationen unter den damaligen Verbrechen leiden.

Eine beeindruckend große Menge, darunter erfreulich viele Jugendliche, fand sich in Kemna ein, um 75 Jahre nach dem Grauen der Opfer zu gedenken. Seit der Errichtung des Mahnmals zum 50. Jahrestag ist der Ort Schauplatz solcher Feiern. Nun aber konnte die Gedenkfeier dank Unterstützung der Firma Stuart auf historischem Boden stattfinden.

"Die Biedermänner befinden sich noch unter uns, sie sitzen auch im Stadtrat", erklärte Oberbürgermeister Peter Jung entschlossen. "Wählen Sie, wen Sie wollen, aber nicht diese Extremisten, die nichts im Parlament verloren haben", forderte der Oberbürgermeister die Anwesenden während der Gedenkfeier auf.

Zahlreiche Verbände des Jugendrings nannten von der Bühne herab ihre Argumente, warum "Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen" ist. Sarah, Carolin, Britta und Jessica von den Naturfreunden Ronsdorf wiesen aber auch auf die alarmierende Tatsache hin, dass kürzlich auf dem Hof des Schulzentrums Süd fünf junge Männer erschienen, um faschistische Hetzschriften zu verteilen. Das Schreckgespenst der Neonazis spukt auch noch in Wuppertal herum.

"Wenn man den Jugendlichen einen Ort mitten in ihrer Stadt zeigen kann, an dem der Grundstein für Hass gelegt wurde, dann wird ihnen das damalige Geschehen viel bewusster", berichtete Daniel Wellershaus von der Jugendgruppe der Feuerwehr. Aufklärung ist ihm ein hohes Anliegen, seine Schützlinge Philipp und Alexander wissen bereits recht viel über das Lager Kemna und seine Grauen, während ihr Freund Jan die Ereignisse zwischen 1945 und 1949 einordnet und sich auch sicher ist, dass in diesem KZ vor allem Juden inhaftiert waren.

Einig sind sie sich aber gemeinsam mit den anderen Gästen der Gedenkfeier, dass dort unmenschliche Verbrechen geschahen, die sich nicht wiederholen dürfen.

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