„Rechtsextremismus ist kein rein deutsches Phänomen“

Der Verein Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz hat in diesen Tagen alle Hände voll zu tun. Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern zeigte, warum.

In Nachhinein wirkt es wie weise Voraussicht, dass die damaligen Bürgermeister der Stadt Wuppertal um Hans Kremendahl den Verein Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz gründeten. Aber es war nicht Vision, sondern Reaktion auf den Alltag, auf rechte Übergriffe, auf braune Gewalt. Geändert hat sich seither nicht viel in Deutschland. Noch vor wenigen Wochen brannten allerorten Flüchtlingsheime, und das vorläufige Ende dieser schlechten Entwicklung sind fast 21 Prozent für eine mindestens äußerst rechte Partei bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern.

Es gibt also einiges zu tun für den Verein. Dessen fünf Mitarbeiter um Geschäftsführer Sebastian Goecke sind denn auch reichlich unterwegs. Ihr Ziel ist es, durch mehr Wissen, vor allem aber durch mehr persönliche Begegnungen Vorurteile abzubauen und Hürden einzureißen.

Das geschieht unter anderem mit der „Mobilen Beratung gegen Rechts“. Unterstützt vom Land und vom Bundesinnenministerium ist der Verein im Auftrag des Regierungspräsidiums Düsseldorf unter anderem in Schulen unterwegs. „Die Nachfrage ist riesengroß“, sagt Goecke.

Daniel Kolle, Verdi-Geschäftsführer

Für die Initiative für Demokratie und Toleranz ist das herausfordernd und anspornend. Beruhigend ist es nicht. Die Rechtspopulisten in den Landtagen belegen auch aus sicht von Vereinsvorstand und Verdi-Geschäftsführer Daniel Kolle, wie viel noch zu tun ist mit Blick auf die Wahlen zum NRW-Landtag und zum Bundestag im nächsten Jahr. „Wissensvermittlung allein reicht dabei nicht aus“, sagt er. „Es geht um die Auseinandersetzung mit Grundwerten.“ Stammtischmentalität könne der Verein nicht ändern. „Aber wir können versuchen, eine Debatte anzustoßen über Willkommenskultur, über Integration vor allem auch in Bildung.“

Goecke und Kolle wissen, dass die Ablehnung von Flüchtlingen bei vielen Menschen auf der Angst davor basiert, selbst etwas verlieren zu können. Diese Angst ist bisher zwar vollständig unbegründet. Doch das bloße Wissen darum, dass kein Deutscher zugunsten eines Syrers auf irgendeine Unterstützung verzichten müsse, reiche nicht. „Die Ablehnung ist nicht rational“, sagt Kolle.

Umso wichtiger ist es für die Wuppertaler Initiative, Begegnungen zu organisieren. Das geschieht im Kleinen beispielsweise mit der lebendigen Bücherei. „Da kann man sich einen Menschen mit Migrationshintergrund ausleihen und ihm 45 Minuten Fragen stellen“, erklärt Goecke. Aber Achtung! Dieses Buch fragt zurück.“

Manchmal sind es Aktionen, manchmal Gesten, die Haltung zeigen oder Haltung verändern. So fand Goecke es sehr bemerkenswert, dass eine Nachbarschaft in Heckinghausen das riesige Banner „Wuppertal hat keinen Platz für Rassismus“ aufgehängt hat. Es ziert nun wieder das Rathaus in Barmen.

In der kommenden Woche wird es im Rex Kino am Kipdorf die ersten Afrika Filmtage in Wuppertal geben. Auch deren Ziel ist es, durch Begegnungen mit Kulturen Vorurteile abzubauen. „Afrika ist äußerst vielfältig“, sagt Goecke. Das gilt so auch für die Menschen verschiedener Herkunft, die in Deutschland leben, egal ob gerade erst oder von Geburt an. Das haben die Mitarbeiter der Initiative für Demokratie und Toleranz in den vergangenen Jahren hautnah erfahren in Gesprächen mit Migranten, die sich trotz aller Angebote abschotten. „Rechtsextremismus ist kein rein deutsches Phänomen. Es gibt ihn, teils noch viel ausgeprägter, auch unter Zugewanderten“, erklärt Goecke. „Das müssen wir auch immer auf dem Schirm haben.“

wuppertaler-initiative.de

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