Nach dem Amoklauf: Reden gegen die Angst in den Schulen

Sogenannte Bedrohungslagen gab es auch in Wuppertal schon. Nach dem Amoklauf von Winnenden geht es aber vor allem darum, Ängste zu nehmen

Wuppertal. In den Wuppertaler Schulen war am Donnerstag kein gewöhnlicher Unterrichtstag. Vor sämtlichen Schulgebäuden wehten die Fahnen auf Halbmast. In vielen Klassen wurden Schweigeminuten abgehalten, Schulleiter hielten Ansprachen an Lehrer und Schüler, im Unterricht wurde über das eine, alles überlagernde Thema gesprochen: den Amoklauf von Winnenden, bei dem am Mittwoch 17Menschen ums Leben kamen.

"Natürlich haben einige Schüler Angst, nachdem was sie da im Fernsehen gesehen haben", berichtet Dorothee Kleinherbers-Boden. Leiterin der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule. "Deshalb behandeln die Kollegen das Thema sofort im Unterricht und sprechen auch darüber, was jeder Einzelne tun kann."

Viel ist das nicht. Auch die Schüler an der "Else" wissen, dass man sich nicht absolut schützen kann. "Aber sie sind sensibilisiert und reagieren verantwortungsbewusst", ist sich Kleinherbers-Boden sicher. Vor allem, wenn sie im Netz unterwegs sind, in virtuellen Welten, die den meisten Erwachsenen, auch den Eltern, verschlossen bleiben. Genau dort aber gibt es in den unterschiedlichsten Netzwerken und Chat-rooms die meisten Hinweise auf potenzielle Amokläufer. Auch in Winnenden kündigte der 17-Jährige seine Tat im Netz an.

Gewaltdrohungen via Internet hat die Elberfelder Gesamtschule - wie viele andere Schulen ebenfalls - schon erlebt. Es sind nicht gleich angekündigte Amokläufe, eher Gewaltandrohungen gegen Mitschüler. Kleinherbers-Boden: "Wir haben erreicht, dass die Schüler dann sehr sensibel reagieren und sich an ihre Vertrauenslehrer wenden."

Das ist die beste Voraussetzung, um Schlimmeres zu verhindern. Jürgen Klewe ist Leiter der Familien- und Schulpsychologischen Beratung in Wuppertal. In Notsituationen wird er gerufen. Genau das könnte jetzt häufiger vorkommen. "Nach einem Amoklauf müssen wir verstärkt mit Trittbrettfahrern rechnen", erklärt Klewe und verrät nur so viel: Kritische Situationen, angekündigte Anschläge und angedrohte Waffenattacken gegen Mitschüler hat es auch in Wuppertal immer wieder gegeben - ob unmittelbar oder im Netz. "In der Regel fällt das Mitschülern auf. Dann greift das Netzwerk aus Schule, Polizei und Psychologen." Klewe ist sicher, dass man den Schülern helfen kann , "wenn man es vorher mitbekommt und mit dem potenziellen Täter ins Gespräch kommen kann".

Die Motive der Jugendlichen sind nach der Erfahrung des Schulpsychologen immer ähnlich. Stets sei ein hohes Maß an Frustration vorhanden. "Dazu kommen meist Kontaktschwierigkeiten sowie die Auseinandersetzung mit Gewalt, beispielsweise bei Gewaltspielen." Irgendwann sehe der Jugendliche keinen Ausweg mehr. "Dann ist er zur Generalabrechnung bereit." Damit es dazu nicht kommen kann, wird nach jedem Amoklauf auch der Ruf nach verschärften Sicherheitsvorkehrungen und Einlasskontrollen an Schulen laut. Auch unter den Schülern gibt es Befürworter drastischer Sicherheitsvorkehrungen, wie Beate Schulze, Leiterin der Realschule Neue Friedrichstraße bestätigt. "Viele unserer Schüler hätten nichts gegen Kontrollen am Schultor."

Auch Leiterin Schulze selbst steht Sicherheits-Checks nicht abgeneigt gegenüber. "Schule muss ein geschützter Raum bleiben." Aber kein Hochsicherheitstrakt. Das will Schuldezernent Matthias Nocke (CDU) auf jeden Fall verhindern. Punktuelle Einlasskontrollen kann er sich zwar vorstellen, "flächendeckend ist das aber völlig unrealistisch".

Also bleibt als Reaktion auf Winnenden vor allem die Prävention. Beate Schulze vertraut da auf ihre Schüler: "Ich denke, sie haben vieles erkannt. Zum Beispiel, dass man sich um Mitschüler kümmern muss, die Außenseiter oder sehr stark in sich gekehrt sind."

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