Klavierzyklus: Konzertgenuss im Drei-Viertel-Takt

Francois-Joël Thiollier zeigte beim fünften Konzert der Reihe die ganze Bandbreite des Walzers auf.

Wuppertal. Kurzfristig sprang Francois-Joël Thiollier für die erkrankte Pianistin Olga Kern beim fünften Konzert des Bayer-Klavierzyklus’ in der Stadthalle ein.

Aus seinem reichen Repertoire wählt der Pianist das Thema "Walzer", das sein Programm durchzieht: Carl Czernys Variationen über den Wiener "Sehnsuchtswalzer" sind weit mehr als die Geläufigkeitsstudien, womit der Wiener Klavierpädagoge Schüler trimmt. Der französisch-amerikanische Pianist liebt die Kontraste "wuchtig-zart" und setzt verspielte, vertrillerte Parts neben schlagkräftige Akkordik. Auch in der Bearbeitung eines Johann Strauss-Walzers von Carl Tausig stellt Thiollier die leichtfüßige Walzer-Melodie wechselreich neben heftige Schläge und unheilvoll grummelnde gewittrige Klangwolken.

Dass alle Werke schließlich auf Maurice Ravels "La Valse" hinzielen, macht der Pianist sinnfällig deutlich: Sein orchestrales Wüten lässt um den schönen Flügel im Mendelssohn-Saal der Stadthalle bangen. Der amüsante, oft leicht melancholische Wiener Walzer wird hier ein Tanz auf dem Vulkan, der sich ins Zügellose steigert. Die verqueren Walzer-Elemente verschwinden in rauschhafter Wucht. Apokalypse und Endzeitstimmung verpackt Ravel nach Kriegseindrücken in drastischer musikalischer Form.

Beruhigend wirkt danach Claude Debussys klangschöner "Valse Romantique" mit plätschernd umspielenden Arabesken. In diesem und in den weiteren Debussy-Werken bleibt der Pianist stets geerdet, verliert sich nicht in geheimnisvollen Klangnebeln. Das tut den Stücken mal mehr, mal weniger gut. Das filigrane "Reverie" (Träumerei) etwa dürfte durchaus versonnener daherkommen.

Ganz in seinem Element ist Francois Joël Thiollier dann abschließend bei George Gershwin, der zwar keine Walzer verarbeitet, dafür aber den Blues hat: Seine "Rhapsody in Blue", ursprünglich für zwei Klaviere geschrieben, stattet der Pianist mit viel Gefühl für den innewohnenden Swing aus. Konsequent spielt er mit sinfonischer Klangfülle und pflegt die jazznahe Gestaltung. Thiollier entlässt sein begeistertes Publikum mit Gershwin-Melodien in den Ohren und auf den Lippen beschwingt in den Abend.

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