Eine Win-Win-Situation

Kolumnist Uwe Becker über seine Beziehung zu den Stadtwerken.

Eine Win-Win-Situation
Foto: Joachim Schmitz

Ich habe lange überlegt, ob ich mir das himmelblaue Modell der Schwebebahn für 49 Euro kaufen soll. Da ich mir aber im vergangenen Jahr nichts zu Weihnachten geschenkt habe, entschied ich mich für den Kauf der kleinen Nachbildung im Maßstab 1:87. Nun steht die Miniatur-Ausgabe des Wuppertaler Wahrzeichens in meinem Regal und ich erfreue mich täglich an ihrem Anblick.

Ich habe einmal ausgerechnet, dass ich wöchentlich insgesamt mehr als drei Stunden in der Schwebeahn verbringe. Manchmal fahre ich bis zur Endstation und dann wieder zurück — einfach so. In der Bahn kann ich Kraft für neue Ideen und Projekte schöpfen. Man könnte sagen, die Fahrten beflügeln mich.

Begrabt mein Herz in Wuppertal

Ich bin mit den Wuppertaler Stadtwerken schon lange privat und beruflich verbunden. Mein heimatliches Energieunternehmen versorgt mich mit Strom, damit ich am Computer meine Kolumnen schreiben kann, mein Rinderbraten auf dem Herd schmoren darf und das Wasser für meinen Grünen Tee zum Kochen gebracht wird. Im Winter liefert man mir Gas, damit ich gemütlich an der Heizung einen Reiseführer über die Kanarischen Inseln lesen kann.

Natürlich kostet das eine Kleinigkeit, ein Preisvergleich mit anderen Unternehmen könnte einen Wechsel zu einem anderen Energieversorger zur Folge haben. Aber bei mir können die Wuppertaler Stadtwerke sicher sein, dass ich nicht untreu werde. Als Chefredakteur eines Satire-Magazins im Bergischen Land weiß ich, wie wichtig eine verantwortungsvolle Bindung zu lokalen Unternehmen ist. Die Wuppertaler Stadtwerke schalten in ITALIEN regelmäßig ganzseitige Geschäftsanzeigen, und ich leiste mir im Gegenzug dafür ihre Gas- und Stromtarife. Das nennt man heute eine Win-Win-Situation.

Einen leichten Knacks bekam meine Beziehung zu den Stadtwerken 1999. Es war der 12. April, der schwärzeste Tag in der Geschichte der Wuppertaler Schwebebahn: Beim Absturz einer Bahn starben fünf Menschen und zahlreiche wurden verletzt. Bis dahin galt die Schwebebahn als das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Da der Unfall auf menschliches Versagen zurückzuführen war, ein vorübergehend auf der Fahrschiene angebrachtes stählernes Bauteil („Kralle“) wurde bei den damaligen Umbauarbeiten vergessen, galt die Schwebebahn für viele Wuppertaler aber weiterhin als das sicherste Verkehrsmittel.

Mit meinen Kollegen aus der ITALIEN-Redaktion kam uns die Idee, ein positives Zeichen zu setzen, um das Vertrauen in die Sicherheit unserer Schwebebahn zu bekräftigen. Wir entwarfen ein T-Shirt mit einer Zeichnung der Schwebebahn und dem Schriftzug: „Ich trau mich!“

Zunächst wurde uns seitens der Wuppertaler Stadtwerke Zynismus vorgeworfen und man drohte mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung. Als aber immer mehr Wuppertaler das T-Shirt kauften, glätteten sich die Wogen der Betroffenheit und die Zusammenarbeit mit den Stadtwerken wurde fortgeführt, auch weil die damalige Werbeagentur der WSW unsere Imagekampagne positiv bewertete.

Ich erinnere mich, dass einmal drei Herren in die ITALIEN-Redaktion kamen, die jeweils ein Schwebebahn-T-Shirt kauften: „Wir dürfen es leider nicht bei der Arbeit tragen, aber in der Freizeit immer gerne!“ — „Was machen sie denn beruflich?“ — „Wir sind Schwebebahnfahrer!“

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