Die bitteren Erinnerungen des Schwebebahn-Fahrers

Am 8. Juni 1999 fuhr die Schwebebahn erstmals nach dem Absturz wieder. Der Unglücksfahrer blickt zurück.

Wuppertal. Es ist der 8. Juni 1999. Um 13.15 Uhr stehen die Wuppertaler an den Bahnsteigen: Dann kommt sie endlich - die Schwebebahn. Knapp sechs Wochen nach dem Unfall, der um die Welt ging: Am 12.April 1999 war Wuppertals Mythos abgestürzt: fünf Tote und 47 teilweise schwer verletzte Passagiere, so die erschütternde Bilanz.

Ein Trauma für Wuppertal. Verständlich, dass an jenem 8.Juni die Wuppertaler applaudierten. Einer war an jenem "Feiertag" nicht dabei: Karl-Heinz Schubert. Der Fahrer der Unglücksbahn. Er hatte sich von seinen schweren Verletzungen noch nicht erholt. "Die Ärzte haben mir zwei Zentimeter aus der Leber geschnitten", erinnert er sich.

Es ist viel Bitternis dabei, wenn der 66-Jährige zurückschaut. Manchmal kommt nachts die Erinnerung. Der Unfall selbst? "Früher Morgen. Die erste Fahrt. Es hat geregnet, es war dunkel. Ein Knall, dann war ich im Wasser", sagt Schubert. "Ich hab’ geblutet wie ein Schwein. Aber direkt hinter meiner Kabine haben Leute gelegen. Wenn ich denen nicht sofort geholfen hätte, wären die jämmerlich ertrunken."

Da war es noch keine 6 Uhr. Der Schwebebahn-Fahrer selbst war der Letzte, der ins Krankenhaus gebracht wurde, Stunden nach dem Unglück. "Die haben mich glatt vergessen", erinnert er sich. Und: "Ich habe hinterher erfahren, dass man glaubte, ich sei nach dem Absturz abgehauen."

Dabei war schon am Tag nach dem Unfall klar, was passiert war. Weithin sichtbar prangte eine stählerne Montagekralle am Fahrprofil. Arbeiter hatten in der Nacht zuvor vergessen, dieses 100 Kilo schwere Teil abzumontieren. Daran kam die Schwebebahn nicht vorbei. Böse Gerüchte, der Fahrer der Unglücksbahn sei möglicherweise zu schnell gewesen, waren hinfällig. Karl-Heinz Schubert pocht trotzdem darauf, dass er seine Unschuld am Absturz von der Staatsanwaltschaft schriftlich bekommen hat.

Im Strafprozess gegen vier am Umbau beteiligte Arbeiter, Kontrolleure der Stahlbaufirma und der Stadtwerke sowie den damaligen Betriebsleiter der Schwebebahn war Karl-Heinz Schubert als Zeuge geladen. Großen Druck empfand er damals: "Ich hatte das Gefühl, beim ersten falschen Wort dran zu sein."

Bis zu seiner Frühpensionierung im Januar 2001 nahm Karl-Heinz Schubert dann doch wieder hinterm Steuer der Schwebebahn Platz. Angst? "Nein", sagt er schnell. Nur an der Unfallstelle, zwischen Moritzbrücke und Haltestelle Robert-Daum-Platz, sei er immer "sehr langsam gefahren".

Seine Heimatstadt hat der 66-Jährige schon vor geraumer Zeit verlassen. Er lebt jetzt an der Nordsee, fühlt sich "hinterm Deich pudelwohl". Kontakt nach Wuppertal hat er noch. Die Schwebebahn vermisst er allerdings nicht.

Als die Stadt den zehnten Jahrestag des Absturzes mit einer großen Trauerfeier beging, hatte man Karl-Heinz Schubert offenbar erneut vergessen: "Ich habe keine Einladung bekommen", sagt der Wuppertaler. Kurze Pause: "Ich weiß aber gar nicht, ob ich überhaupt hingegangen wäre."

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