Stadtentwicklung in Wuppertal Als noch Kneipen & Co auf die Gathe lockten

Wuppertal · Das Einfallstor zu Elberfeld hat sich gewandelt. Viele Wuppertaler erinnern sich noch an alte Zeiten.

Als die Wuppertaler Gathe noch eine andere war
Foto: Kurt Keil

Akribisch hat er sich alles aufgeschrieben. Wo sich welcher Laden, welche Kneipe mal befand. Hausnummer für Hausnummer. „Sonst kann man sich das ja gar nicht merken“, sagt Wilfried Gerhards. Der 73-Jährige hatte mit großem Interesse den vor kurzem erschienenen WZ-Artikel zur aktuellen Situation der Gathe gelesen. „Die Gathe ist nicht die Bronx — aber für deutsche Verhältnisse schon heftig“, hatte ein Anwohner die Straße charakterisiert. Die Geschichte sorgte vor allem in den Sozialen Netzwerken für Diskussionen und Aufmerksamkeit, wurde vielfach geteilt. Viele Kommentatoren erinnerten aber dabei auch wehmütig an andere Zeiten der Gathe, als diese noch nicht so häufig negativ in die Schlagzeilen geriet.

Auch WZ-Leser Gerhards kennt die Historie der Gathe. „Ich habe früher am Uellendahl gewohnt. Mit der Straßenbahn sind wir immer nach Elberfeld gefahren“, erinnert er sich. Die Trasse führte mitten über die Gathe. Vorbei an Geschäften, Cafés, teils sehr edle, einem Kino und Kneipen, von denen teilweise nicht einmal mehr die Namen geblieben sind. „Die Straße hat schon einen großen Wandel genommen. Sie war aber immer schon eine Geschäftsstraße“, sagt Gerhards. Namen wie Sudhoff, Vahlensee oder BMW Bovenkamp waren damals an der Gathe vertreten. Auch die Großhandelsfirma Risse hatte dort ihren Standort, deren Fahrzeuge mit dem Schriftzug in der ganzen Stadt unterwegs waren.

Gegessen wurde zum Beispiel im Wienerwald, den es aber auch schon lange nicht mehr gibt. Über Jahrzehnte war auch das griechische Restaurant Odysseus ein Anlaufpunkt gerade für Künstler. Pina Bausch hatte dort einen Stammplatz. Vor ein paar Jahren schloss das Gastronomenpaar aber aus Altersgründen ihren Betrieb. Dafür hält Pizza Pazza wacker die Stellung.

Im unteren Teil der Gathe, dem Kneipenviertel, lockten Lokalitäten wie Monocle, Bauernschenke, Im Steinchen, Harveys Kneipe oder Spiegelchen die Besucher. „Da, wo die bunten Lichter waren“, erinnert sich Christel Dörner (70), die an der Gathe aufwuchs und 30 Jahre dort lebte. Die Neon-Reklamen sind auch Gerhards im Gedächtnis geblieben. Eine besonders eindrucksvolle habe das Hotel Trichter gehabt.

Die Partymeile suchten auch Wuppertals Fußballer regelmäßig auf, wie sich einige Ex-Kicker und -Trainer vor ein paar Jahren im Gespräch mit der WZ erinnerten. In einer der Kneipen, weiß Dörner, trat auch mal ein gewisser Peter Maffay auf. „Der war damals aber noch nicht bekannt.“

Die 70-Jährige ist einst an der Gathe aufgewachsen. „Wir haben da noch auf den Trümmergrundstücken gespielt“, erinnert sie sich. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, „wie gefährlich das wahrscheinlich war“. Ruhig sei es auf der Straße gewesen. „Und die Nachbarn haben zusammengehalten.“

Fast idyllisch mutet es an, wenn Dörner von Kindertagen und dem kleinen Milchladen erzählt, wo jeden Morgen der Bauer hinkam und seine Waren vorbeibrachte. Mehr als 30 Jahre wohnte sie an der Gathe, erlebte den Wandel. Dass die Straße heute von manchen als „Ausländerviertel“ beschrieben wird, ist nicht unbedingt eine neue Entwicklung. Zuwanderer habe es schon vor Jahrzehnten dort gegeben, sagt Dörner. „Meine Cousine hat damals einen Marokkaner geheiratet“, erzählt Dörner. Um was heute kaum noch ein Aufheben gemacht würde, sorgte damals für einen Aufstand.

Das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen „hat aber einfach funktioniert“, sagt Martina Flasch, die den 1970er und 80er Jahren an der Gathe hinterhertrauert. „Das war eine coole Zeit“, erzählt die 53-Jährige. Wobei sie schmunzelnd ergänzt. „Wenn man sich an die 80er erinnern kann, hat man die 80er nicht wirklich erlebt.“ Es wurde schon viel gefeiert dort. „Es war ja auch für jeden Geschmack etwas dabei.“

Flasch selbst war und ist immer noch Heavy-Metal-Fan. „Da ging man natürlich ins Bulldog.“ Und frühmorgens dann zum Schweinswirt. „Da konnte man schön für kleines Geld frühstücken.“ Seit Jahren wohnt sie jetzt in Krefeld. Vor kurzem sei sie dann noch mal über die Gathe gefahren. „Da habe ich fast das Heulen bekommen.“ Der Niedergang habe aber schon Ende der 1980er Jahre begonnen, ist Flasch überzeugt. „Da haben die ersten coolen Läden zugemacht.“

Wann es das Bordell an der Pressburger Treppe erwischte, ist übrigens nicht überliefert. Die Anekdote von „Wuppertals ältester Prostitutierter“, die dort anschaffte, bekam die WZ aber des öfteren zu hören.

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