Ortsbesuch Zum Ersten, zum Zweiten, zum . . . Kirche in Altena wird versteigert

Altena · Seit 2005 ist St. Paulus in Altena profaniert, aber bisher konnte die Gemeinde keinen Käufer finden. Letzte Hoffnungen ruhen auf einer Auktion. Doch nicht jede Nutzung ist erlaubt.

 Die katholische Kirche St. Paulus im Altenaer Ortsteil Rahmede wird seit 14 Jahren nicht mehr genutzt. Aber Altar, Kruzifix, Osterkerze und Orgel sind noch vorhanden.

Die katholische Kirche St. Paulus im Altenaer Ortsteil Rahmede wird seit 14 Jahren nicht mehr genutzt. Aber Altar, Kruzifix, Osterkerze und Orgel sind noch vorhanden.

Foto: Ekkehard Rüger

Unten im Tal an der Rahmedestraße weist noch das Schild mit dem gelben Kirchensymbol den Weg hinauf. „St. Paulus“ ist darauf zu lesen, darunter das Wort „Friedhof“. Aber die Hinweise auf die Heilige Messe am Sonntag um 9.30 Uhr sind schon lange überklebt. Ein Stück weiter oben in einer Kurve der steilen Auffahrt zum Friedhof steht ein Kreuz auf einem Steinsockel mit der Aufschrift „Christus lebt“. Aber er hat es gerade schwer hier. Seine Kirche im Altenaer Ortsteil Rahmede will niemand haben. Darum kommt sie nächste Woche unter den Hammer.

Dietmar Flusche knipst das Licht an. Der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands der Matthäus-Pfarrei in Altena (Märkischer Kreis) kümmert sich um den Verkauf der drei Immobilien: Kirche mit angrenzendem Pfarrhaus, dazu die frühere katholische Grundschule, die später noch als Pfarrsaal genutzt wurde und zuletzt vom örtlichen Bürgerverein. Aber auch der ist vor zwei Jahren ausgezogen.

Im Schrank der Sakristei hängen noch liturgische Gewänder

In der Kirche ist der typische Geruch katholischer Sakralbauten längst von einem kühlen Muff durchzogen. Auf den hinteren Kirchenbänken liegt ein Kruzifix, in der Sakristei hängen noch liturgische Gewänder im Schrank und Stolen über dem Stuhl, als sei hier gerade jemand überhastet aufgebrochen. Dabei ist die Gemeinde schon im Juni 2005 aufgelöst und mit der Matthäusgemeinde vereint worden. Noch im selben Jahr wurde die Kirche entweiht. Flusche blickt auf den massiven Steinaltar: „Wie wir den hier rausbekommen, wissen wir auch noch nicht.“

Lange hat die Kirche leer gestanden, ohne dass sich jemand in der neu gewachsenen Goßpfarrei darum gekümmert hätte. Aber in den vergangenen Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, die Gebäude zu veräußern – vergeblich. Ein paar Interessenten haben sich das Ensemble, das hinter den hohen Bäumen inmitten der Wohnbebauung am Hang auf den ersten Blick kaum als Kirche auszumachen ist, mal angeguckt. Zugegriffen hat niemand.

Vor zweieinhalb Jahren ist Flusche dann darauf gestoßen, dass eine örtliche Baugesellschaft über das Kölner Auktionshaus „Westdeutsche Grundstücksauktionen“ erfolgreich Immobilien versteigern ließ. Aber eine Kirche unter dem Hammer? Es dauerte bis zu diesem Frühjahr, ehe das Bistum Essen zu dem ungewöhnlichen Schritt seine Zustimmung gab. „Das ist unser letzter Strohhalm“, sagt der 71-Jährige.

Immerhin, seit die Kirche in den Auktionskatalog aufgenommen wurde, tut sich etwas. Vor einer Woche haben acht Interessenten das Gelände und die Gebäude besichtigt, dazu gab es noch eine Reihe Einzelbesuche. Ein Dutzend potenzielle Käufer könnten es am Ende schon sein. Aber ob das auch zum Erfolg führt, weiß man erst, wenn am 14. September um 11 Uhr die öffentliche Auktion im Kölner Hilton-Hotel beginnt. Das Mindestgebot liegt bei 99 000 Euro.

So ganz will sich das Bistum aber nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Eine Kirchenklausel, die auch grundbuchlich gesichert werden soll, schließt allerlei Nutzungen aus: Eine Erlebnisgastronomie, eine Spielhalle oder einen Bordellbetrieb soll es hier nicht geben. Auch bei Religionsgemeinschaften können nur Kirchen aus der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) zum Zuge kommen. Scientology hätte keine Chance. Und vor dem endgültigen Verkauf hat sich das Bistum noch eine abschließende Prüfung vorbehalten.

Früher ist Flusche selbst einmal im Monat zur Messe in St. Paulus geradelt. Der Verkauf ist ein schmerzlicher Prozess, nicht umsonst hat der Pfarrer die Aufgabe komplett an ihn abgetreten. Der frührere Leiter des Altenaer Hauptamts hat miterlebt, wie die Schließung vor 14 Jahren die Gemeinde fast die gesamten Mitglieder im Ort gekostet hat. Aber der Priestermangel und die gedeckelten Zuschüsse des Bistums lassen  keinen anderen Weg zu. Von den einst sechs Kirchen in der Pfarrei sind noch drei geblieben.

Und ein Endpunkt ist das noch nicht. In der Gemeinde ist ein Pfarreientwicklungsprozess angestoßen worden. „Demografische und gesellschaftliche Bedingungen verändern sich und damit verändert sich auch unsere Pfarrei, um weiter leben und überleben zu können“, heißt es auf der Internetseite der Gemeinde. Ein leitender Pfarrer ist hier in der katholischen Diaspora für die noch 5500 Kirchenmitglieder zuständig, unterstützt von einer halben Pastorenstelle. „Wir müssen weiter zusammenwachsen“, sagt Flusche mit Blick auf die Nachbarkommune Nachrodt-Wiblingwerde, die auch zu der Großpfarrei zählt.

Aber erst einmal hofft er, dass der Pauluskirche der Abriss erspart bleibt. „Das wäre das Schlimmste.“ Vielleicht findet ja der neue Besitzer sogar Gefallen an dem ganzen Inventar. Nur für die kleine Orgel oben auf der Empore müsste er noch mal extra zahlen.

Auch der Friedhof oberhalb von St. Paulus ist mittlerweile geschlossen. Einige Gräber werden noch gepflegt, an wenigen Stellen wären weitere Bestattungen möglich. Aber neue Grabstätten wird es hier nicht mehr geben. „Die Zeit unseres Lebens währt siebzig Jahre, wenn es hochkommt, achtzig“, heißt es in Psalm 90. St. Paulus reiht sich da ein. 1925 mit viel Eigenleistung der Gemeinde aufgebaut, endete die kirchliche Lebenszeit 2005. Was jetzt folgt, Abriss oder Auferstehung in neuer Gestalt – ungewiss.

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