Düsseldorfer Premiere von Wedekinds „Franziska“ Wedekind-Mysterium feiert Premiere

Düsseldorf · Im Wedekind-Mysterium „Franziska“ hat Schauspielerin Sonja Beißwenger an diesem Samstag Premiere im Großen Haus.

 Sonja Beißwenger in der Rolle der Franziska.

Sonja Beißwenger in der Rolle der Franziska.

Foto: Thomas Rabsch

Mit „Franziska“ bringt Regisseur Sebastian Baumgarten ein selten aufgeführtes Stück von Frank Wedekind auf die Bühne des Großen Hauses. Das „moderne Mysterium in fünf Akten“ erzählt die Geschichte eines weiblichen Fausts. Eine junge Frau, der bedrückenden Enge ihres Elternhauses überdrüssig und nicht bereit, die vorgezeichnete Rolle mit Heirat und Mutterschaft zu erfüllen, schließt einen Pakt mit dem Teufel. Zwei Jahre darf sie als Mann leben, danach gehört sie ihm bedingungslos mit Haut und Haaren. Veit Kunz, der „Sternenlenker“, verbreitet weder Furcht noch Schrecken. Er lässt jedoch keinen Zweifel daran, seine Rechte unerbittlich einzufordern und sich Franziskas Körpers und Seele zu bemächtigen.

Warum lässt sie sich auf dieses riskante Spiel ein? Pure Abenteuerlust oder der versprochene Ruhm? „Der Motor war schon vorher da“, sagt Titelheldin Sonja Beißwenger: „Der Wunsch, sich als Künstlerin ausdrücken und ausleben zu wollen, auch erotisch. Die Beziehung ihrer Eltern war für sie Horror. Dieses immer wieder aufflackernde Trauma nicht wiederholen zu wollen, treibt sie ebenfalls an.“ Franziska folgt der Verlockung des Teufels, „alles zu gewinnen und nichts zu verlieren“. In männlicher Gestalt begibt sie sich auf eine schicksalhafte Reise. „Schnell landet sie als knallharter Macho in einem zwielichtigen Milieu“, erzählt Beißwenger, „und danach in einer klaustrophobischen Ehe. Das alles ist ein grandioser Illusions-Budenzauber voller Fallstricke. Franziska beherrscht ihn, aber sie weiß, er ist befristet. Der Mythos lässt sich nicht ewig aufrechterhalten.“

Wird sie denn glücklich dabei? „Sie sammelt Erfahrungen während ihrer Entwicklung und Entfaltung, darunter viele negative“, antwortet Beißwenger. „Auf ihrem Weg ist sie verantwortlich für drei Frauenmorde. Darüber lernt sie auch etwas über Empathie, die ihr anfangs völlig fehlte.“

Liebt sie diesen Verführer, der ihr bittersüße Chancen einräumt und sie gleichzeitig in die Abhängigkeit zwingt? „Er ist ihr Befreier“, erklärt die Schauspielerin, „aber Liebe? Nein, Liebe ist nicht das, worum es Franziska geht. Sie kommt nirgendwo an und spürt, wie anstrengend das ist. Das hat einerseits etwas Unerlöstes, aber damit steht Franziska in gewisser Weise für unsere jetzige Zeit.“ Die Parallelen glaubt Beißwenger deuten zu können: „Vielleicht geht es heute eher darum, veränderlich und auf der Suche zu bleiben, als eine gefestigte Persönlichkeit zu werden.“

Nicht ohne Grund komme Wedekinds Mysterium selten auf die Bühne. „Das Stück ist kompliziert und steckt voller Bezüge zu Wedekinds Zeit“, sagt Beißwenger: „Wollte man den Inhalt wiedergeben, würde man unentwegt abschweifen, weil der Dichter viele Schwebezustände schreibt. Da ist man mit seiner eigenen Fantasie gefordert.“

Beißwenger kehrt als Gast immer wieder ans Schauspielhaus zurück. Seit fast 20 Jahren ist sie beruflich mit Intendant Wilfried Schulz verbunden. Sie folgte ihm vom Theater in Hannover für sechs Jahre nach Dresden, tritt jetzt als freie Schauspielerin gerne in Düsseldorf auf. Zuletzt sah man sie in „Orpheus steigt herab“ und als großartige Protagonistin in „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.

Mit ihrem Mann und den 14-jährigen Zwillingstöchtern lebt die gebürtige Schwäbin heute wieder in Hannover und hat an ihrer früheren Hochschule regelmäßig Lehraufträge als Schauspieldozentin.

Sie kennt die schmerzlichen Momente bei Aufnahmeprüfungen, wenn 20 hoffnungsvolle Aspiranten in die Endrunde geladen sind, es aber nur zehn Studienplätze gibt. „Eine große Enttäuschung, aber damit muss man fertig werden, so fängt es an auf diesem Weg“, sagt sie: „Wer das nicht schafft oder zu wenig Kraft hat, wird es kaum aushalten in unserem Beruf.“

Was vor allem will sie den Anfängern vermitteln? „Es mag altmodisch klingen, aber tatsächlich finde ich das Handwerk wahnsinnig wichtig“, sagt sie: „Wenn man bildende Kunst studiert, muss man sich auch alle Werkzeuge, Materialien und Techniken aneignen, um daraus schließlich seinen eigenen Stil zu entwickeln. Hier wie da müssen die Grundlagen benennbar und begreifbar sein.“

Wie bahnte sie sich ihren Weg zum Theater? Beißwenger lacht: „Ein Junge in meiner Schule fiel mir durch seine wechselnden Haarfarben auf. Ich wollte wissen warum, und erfuhr, dass er Statist am Theater war. So bin ich dann auch reingerutscht.“ Verlassen auf ihr Talent mochte sie sich nicht. Aus dem Bestreben nach Sicherheit studierte sie in Leipzig Ethnologie, Journalistik und Philosophie: „Aber ich merkte sofort, dass diese Art des körperlosen Lernens gar nichts für mich war. Wie spannend das Lernen über die Sinnlichkeit ist, habe ich danach beim Schauspielstudium begriffen.“

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