Dormagen: Geboren in der Weihnachtsnacht

Im Krankenhaus treffen Freud und Leid aufeinander: Während sich eine 26-Jährige über ihr Christkind freut, erholt sich ein 93-Jähriger von seinen Herzrhythmusstörungen.

<strong>Dormagen. Simone Naumann ist es eigentlich gewohnt, an Heiligabend reich beschenkt zu werden. "Morgens bekam ich immer meine Geburtstagsgeschenke, abends gab es die Bescherung", erzählt die 26-Jährige. Doch dieses Weihnachtsfest wurde sie "so schön beschenkt wie noch nie": mit einem 3450 Gramm schweren und 52 Zentimeter großen Christkind. Sohn Justin kam am um 3.12 Uhr in der Heiligen Nacht zur Welt. Mit Wehen war Simone Naumann am 23. eingeliefert worden, einen Tag vor ihrem Geburtstag, 20 Stunden später hielt sie ihr erstes Kind in den Armen. Zufrieden nuckelt der kleine Engel an seinem Schnuller, und auch die Mutter hat alle Schmerzen vergessen: "In dem Moment, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, war alles gut", sagt sie strahlend. Während sich Justin in dem Arm seiner Mama kuschelt, steht Wilma Strack im hauseigenen Kiosk. An allen Weihnachtstagen hat sie die Besucher und Patienten mit Zeitschriften, Süßigkeiten, Getränken und allerlei Kleinkram versorgt. "Viele kaufen hier noch kleine Geschenke wie Pralinen, die handlichen Blumensträuße, die in ein Limoglas passen oder auch Glücksbringer für Silvester", erzählt sie. Aus Liebe zu den Patienten und dem Personal habe sie auch die Feiertage über im Kiosk gearbeitet. Glück für Josef und Heidemarie Steinhäuser, denn sie brauchen noch ein süßes Mitbringsel.

93-Jähriger will seinen Kindern das Weihnachtsfest nicht verderben

"Eigentlich wollten wir meinem Schwiegervater eine Sahnetorte mitbringen, aber heute hat ja alles geschlossen", erklärt Heidemarie Steinhäuser und greift nach einer Packung Plätzchen. Ihr Schwiegervater hatte den Heiligabend bei ihnen verbracht. Friedrich Steinhäuser, der mit seinen 93Jahren körperlich und geistig noch recht rüstig ist, hatte allerdings seine Blutdrucktabletten an diesem Tag noch nicht genommen. "Es ging ihm gut, er war glücklich, bei uns zu sein. Deshalb dachte er wohl, es gehe auch ohne Tabletten", sucht sein Sohn nach einer Erklärung.

Gegen 23 Uhr allerdings stieg der Blutdruck des Seniors, sein Puls wurde unregelmäßig. Bis 0.30 Uhr mussten sein Sohn und die Schwiegertochter auf den alten Herrn einreden, bis er sich bereiterklärte, sich wenigstens auf der Notfallstation untersuchen zu lassen. "Er wollte uns das Weihnachtsfest nicht verderben und deshalb nicht vom Notdienstwagen geholt werden", zeigt Josef Steinhäuser Verständnis.

Der Arzt behielt Friedhelm Steinhäuser sicherheitshalber auf der Station. Mittlerweile geht es dem alten Herrn wieder gut. Er ist zwar noch etwas schwach auf den Beinen, aber er fühlt sich im Krankenhaus gut aufgehoben. "Ich war schon öfter hier und bin immer wunschlos glücklich", sagt er. Das Weihnachtsmenü sei wie in einem Fünf-Sterne-Hotel mit Gänsekeule, Rotkohl und Klößen. Am Wochenende wird er wahrscheinlich wieder nach Hause dürfen und dann wie gewohnt seinen Haushalt selbst führen können.

Glück und Trauer liegen in diesen Tagen nah beieinander. In der weihnachtlich geschmückten Kapelle des Kreiskrankenhauses, neben erleuchtetem Christbaum und stiller Krippenszene, findet sich ein tragischer Eintrag im Kirchenbuch: "Wir hatten uns so sehr auf unser Kind gefreut. Am 19. Dezember durften wir erstmals die Herzschlag auf dem Ultraschall sehen. Am Heiligen Abend schlug sein Herz nicht mehr und meiner Frau musste der Embryo entfernt werden. Am Heiligabend ist der Todestag unseres Kindes. Gibt es einen Gott? Wenn ja, warum nahm er unser Kind?"

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