Blutbad in Schwalmtal: Anklage spricht von kaltblütigem Mord

Gut zwei Monate nach dem Blutbad von Amern hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Schützen erhoben.

Schwalmtal. Der Schock saß tief, das Blutbad wirkte lange nach. Gut zwei Monate nach dem Amoklauf von Amern hat die Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Todesschützen wegen dreifachen Mordes und Mordversuchs angeklagt. Der 72-Jährige habe in der Tatnacht ein Geständnis abgelegt, seither schweige er zu den Vorwürfen, sagte Staatsanwalt Stefan Lingens auf Anfrage.

Der Beschuldigte habe zwar die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sachverständigen abgebrochen, er gehe aber davon aus, dass der Rentner voll schuldfähig sei, sagte Lingens. Die Tat sei heimtückisch gewesen und aus niedrigen Beweggründen erfolgt.

Ohne Vorwarnung soll der Rentner das Feuer auf Rechtsanwälte und Gutachter eröffnet haben, die zu einem Besichtigungstermin im Haus seiner Tochter und seines Ex-Schwiegersohnes erschienen waren.

Seiner Ansicht nach hätten die Männer die Verantwortung für die langwierige Zwangsversteigerung des Hauses seiner Tochter getragen, gab er danach zu Protokoll. Dagegen wollte er "ein Zeichen setzen". Die Bilanz: drei Tote und ein Schwerverletzter.

Zwei 38 und 70 Jahre alte Rechtsanwälte sowie ein Gutachter (48) des Kreises Viersen starben im Kugelhagel. Ein zweiter Gutachter (50) konnte sich von zwei Kugeln getroffen aus dem Haus retten. Waren die Ermittler zunächst von einem spontanen Amoklauf ausgegangen, hatten sie das Blutbad nach dem Geständnis als kaltblütigen Mord eingestuft.

Bereits bei einer drei Jahre zurückliegenden Gewalttat war der Rentner als psychisch auffällig und verhandlungsunfähig eingestuft worden. Damals soll er mit einem Baseballschläger zwei Verwandte zusammengeschlagen haben. Zu einem Prozess kam es aus den genannten Gründen nicht.

Nun müsse der Rentner aber als gefährlich gelten: Sollte ihm erneut Verhandlungsunfähigkeit attestiert werden, könne er auch in Abwesenheit in einem Sicherungsverfahren verurteilt und in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden.

Die Scheidung der 44-jährigen Tochter des Rentners hatte sich zu einem jahrelangen Familienstreit entwickelt, der am 18. August in dem beschaulichen 8000-Einwohner-Ortsteil Amern blutig eskaliert war. Bereits 2001 hatten sich die Tochter des Rentners und ihr gleichaltriger Mann getrennt, im September 2006 war dann die Scheidung auch offiziell vollzogen.

Jahrelang soll der Mann versucht haben, den Verkauf des Hauses zu verhindern, in dem seine Tochter lebte. Zwar gehörte ihm das Gebäude nicht, er hatte es aber für seine Tochter und deren Familie in viel Eigenleistung renoviert und umgebaut.

Mit einer 9-Millimeter-Pistole und 100 Schuss Munition war der Mann zu dem Besichtigungstermin angereist. Die Waffe spanischen Fabrikats besaß er illegal, er habe sie in den 80er Jahren von seinem Vater bekommen.

Im engen Hausflur soll er die Waffe gezogen und das ganze Magazin mit sieben Kugeln leergefeuert haben. Um sicherzugehen, dass seine Opfer tatsächlich tot sind, habe er die Waffe nachgeladen und erneut drei Kugeln auf die Männer abgefeuert, hatte die Polizei berichtet.

Stundenlang hatte sich der Mann dann in dem von Spezialeinheiten umstellten Haus verschanzt, bevor er sich ergeben hatte. Während der Bluttat waren die Ehefrau (69) des Rentners, sein Bruder und die Tochter (44) im Haus. Die Tochter hatte noch per Handy über einen Bekannten die Polizei alarmiert. 200 Polizisten hatten das Haus weiträumig abgeriegelt.

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