Grefrath: Wenn St. Martin an der Hecke Pipi macht

Amüsant und hintergründig sind die Erinnerungen von Beate Felten-Leidel.

Grefrath. Hier blieb nichts geheim: "Kattendonk hatte tausend Augen und Ohren, denen nichts entging." So wurde beobachtet und getratscht, was das Zeug hielt in Kattendonk "an der alten Landstraße zwischen Grefrath und Hinsbeck, wo es niederrheinischer gar nicht sein kann". Das schreibt Beate Felten-Leidel in ihrem Buch "Mit Winnie in Kattendonk". Und diese "Erinnerungen an den Niederrhein" sind allemal lesenswert.

Verdammt schwer, dieses Buch nicht zu mögen! Amüsant ist es, nachdenkenswert, wehmütig und doch fröhlich. Aber Vorsicht: Die Autorin schreibt so locker, dass man das Buch verschlingt - und dabei vielleicht manche Pointe, manch Hintergründiges überliest. Haben sie es doch in sich, diese Kindheitserinnerungen von Marlies alias Beate und ihrer Freundin Winnie in Grefrath - denn nichts anderes ist dieses Kattendonk.

Zwänge und Enge der Traditionen lassen die Mädchen vordergründig neidisch werden auf das neureiche Spießbürgertum im Haus des Nachbarjungen Axel. Doch dem Charme des Althergebrachten können und wollen sie nicht entfliehen: Was kann aufregender sein, als auf dem alten Friedhof, den es heute nicht mehr gibt, heimlich Engelsfiguren zu putzen? Und mit den tollen Geschichten von Opa aus Oedt, da kann Axels Carrera-Bahn erst recht nicht mithalten.

Nicht alles glänzt, was einen Schein hat: Feinfühlig schildert Felten-Leidel, wie sie als Kind zwischen Frömmigkeit und Frömmelei unterscheiden lernt. Erzählt von Tante Pia, die blutrünstige Märtyrer-Geschichten kennt und die Gottesmutter wortwörtlich zitiert - auf Platt! Selbst "Tsent Meerten" wird als allzu menschlich entlarvt, steigt er doch nach dem Martinszug vom Ross und schleicht sich zur Hecke - zum Entsetzen der Kinder: "St. Martin macht ja Pipi!"

Und worum geht’s "bei der sonntäglichen Kuchenorgie"? Um "Krankheiten, Operationen, Todesfälle, Beerdigungen". Zumindest damals in Kattendonk mit den "tausend Augen und Ohren"- für die Jugend gleichsam "Enge und Kontrolle", doch "für die Alten bedeutete dies Schutz und Geborgenheit". Nur damals, nur in Kattendonk?

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