Theateraufführung in Lobberich: Kunst mit schrägen Tönen

Désirée Nick verzückt in der Werner-Jaeger-Halle in der Rolle der wohl schlechtesten Sängerin aller Zeiten.

Lobberich. Fast jeder Ton daneben, falsche Einsätze, kein Taktgefühl und dennoch selbstsicheres Auftreten bei totaler Talentfreiheit - gemeint sind hier nicht die tausenden von selbsterklärten Sängern, die sich in TV-Castingshows vor einem Millionenpublikum der Lächerlichkeit preisgeben.

Es ist die Geschichte von Florence Foster Jenkins, die am Mittwochabend im Stück "Souvenir" in der Werner-Jaeger-Halle zu sehen war - die Geschichte ist sozusagen die Mutter aller Fernsehformate, die Fremdschämen und Schadenfreude zum Erfolgsprinzip erklärt haben.

Die Millionenerbin (gespielt von Désirée Nick) ist von ihrem Gesangstalent so überzeugt, dass sie sich in den 1930er Jahren in New York mit ihrer schrägen Interpretation klassischer Musik auf die Bühne wagt. Nun sucht sie eine Begleitung am Klavier und trifft Cosme McMoon (Christoph Schobesberger).

Der kann nicht fassen, was er bei der ersten Probe hört. Verdis Rigoletto klingt mal nach dem Quietschen alter Bettfedern, mal nach einem Luftballon, aus dem man langsam die Luft lässt. Und als die Diva das Stück "Ave Maria" ankündigt, geht bereits ein Raunen voller böser Vorahnung durch die Reihen der Werner-Jaeger-Halle. Diese wird sich erfüllen.

Doch Mrs. Foster Jenkins hat dank vollkommener Realitätsverweigerung und unermesslichem Selbstbewusstsein mit ihren Auftritten Erfolg - im Ritz Carlton, in der Carnegie Hall und auch in der Werner-Jaeger-Halle. Denn je schriller die Töne, desto entzückter lacht das Publikum.

Im Stück von Stephen Temperley ist Désirée Nick einfach eine Idealbesetzung. Die Kabarettistin und Schauspielerin, die durch verbale Attacken gegen Promi-Kollegen und ihr Auftreten im RTL-Dschungelcamp immer wieder ihren Ruf als Zicke unterstreicht, macht auch im wahren Leben nicht den Eindruck, als wenn sie sich um die Meinung der Öffentlichkeit schert.

Mit spitzem Mund und erhobenem Haupt stolziert Nick durch die schräge Geschichte. Man kauft ihr das Selbstbewusstsein und die fast aristokratische Würde ab. Und doch wirken Gestik und Grimassen gerade so überspitzt, dass einem das Lachen nicht vergeht - bis es kurz vor Schluss zum erwarteten Absturz kommt.

Mit Leichtigkeit versemmelt Nick die Töne, was in diesem Falle auch eine Kunst ist. Als gelernte Balletttänzerin muss es sie Überwindung kosten, so taktlos über die Bühne zu stolpern. Christoph Schobesberger als Cosme McMoon begleitet am Klavier und kämpft sich überzeugend und berührend durch eine Palette von Gefühlen, von Erstaunen, Wut bis hin zu Mitgefühl und liebevoller Rückschau auf eine wirklich ungewöhnliche Frau "mit einem einzigartigen Organ".

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