Innenstadt wird zur Bühne für Aktionskunst

Morgen ist in Viersen das Kunstprojekt „bodies in urban spaces“ des Wieners Willi Dorner zu sehen. Artisten bilden dabei Skulpturen im öffentlichen Raum.

Viersen. Die Viersener Innenstadt wird morgen zur Bühne für „bodies in urban spaces“ (Körper im städtischen Raum): Im Rahmen der Ausstellung „Stadtbesetzung II — Mensch im Blick“, die derzeit in der Städtischen Galerie im Park zu sehen ist, werden auf einem Parcours Körperskulpturen in Türrahmen, auf Treppenstufen oder um Parkbänke herum entstehen — ein Kunstprojekt des Österreichers Willi Dorner. Ein Gespräch über seine künstlerischen Ideen, die Kunst im öffentlichen Raum und die harte Arbeit der Darsteller.

Innenstadt wird zur Bühne für Aktionskunst
Foto: Lisa Rastl

Wie entstand die Idee zu „bodies in urban spaces“?

Willi Dorner: Die Idee hatte ich vor mittlerweile mehr als zehn Jahren. Erstmals aufgeführt wurde es bei einem Tanzfestival in Barcelona, die offizielle Premiere war dann beim Festival Quartier d’été in Paris 2007. Damals wurde ich vom Impulstanz Festival, damals noch die Internationalen Tanzwochen, in Wien eingeladen, meine Idee über Beziehung zwischen menschlichen Körpern und die sie umgebenden (Wohn)-Räume weiterzuentwickeln. Für diese Research-Periode lud ich verschiedenste Künstler ein — Architekten, Komponisten und Filmemacher. Unter all den Ideen, die wir damals hatten, war auch die für „bodies“. Zuerst war es ein reines Fotoprojekt, aber weil mir und den anderen die Bilder immer besser gefallen haben, habe ich die Idee weiterverfolgt und schließlich kam der Stadt-Parcours, wie er heute ist, dabei heraus.

Welchem Genre schreiben Sie die Körperskulpturen zu?

Dorner: Ich sage immer, ich gestalte eine Choreographie, denn die Körper und der Ablauf sind gestaltet in Zeit und Raum. Aber natürlich wird die Arbeit vereinnahmt von Tanz, von bildender Kunst, von Straßenkunst, manche sagen Performance dazu oder anders gesagt: Bildende und darstellende Kunst beanspruchen die Arbeit für sich. Aber man kann „bodies“ nicht so eindeutig einordnen.

Was fasziniert Sie am Darstellungsort „Straße“?

Dorner: Der Kontakt zu den Menschen. Wenn wir in der Straße arbeiten, sind wir in Kontakt mit den Passanten und kriegen sofort Rückmeldung. Die Arbeit sehe ich ja sehr politisch. Ich finde, die Arbeit ist zu dem richtigen Zeitpunkt entstanden und trägt dazu bei, dass Einwohner wieder über ihre Stadt nachdenken. Wir leben in einer spannenden Zeit, einer Zeit rascher urbaner Entwicklungen, die uns sehr betreffen. Die Straße ist wieder der Ort der politischen Auseinandersetzung geworden — trotz Internet und sozialer Medien.

Waren Sie selbst schon Teil einer Aufführung?

Dorner: Ja. Ich weiß, was es heißt, in einem „stack“ (Stapel) ganz unten zu liegen und wie anstrengend es ist, in einem „doorway“ (Türöffnung) oder einem „gap“ (Spalt) zu sitzen oder sonst wo zu stecken. Es sieht vielleicht leicht aus, aber was die Performer hier leisten, ist harte Arbeit. Ich schätze die Mitarbeit der Tänzer sehr, denn ohne sie wären meine Ideen, die ich mal im Kopf hatte, nicht zu sehen.

Wer sind die Menschen, die an den Parcours teilnehmen? Wo liegen die körperlichen Berührungsgrenzen?

Dorner: Ich denke, dass ihre Grenzen sehr hoch liegen müssen in Bezug auf Berührung und körperlicher Anforderung. Es gibt auch sicherlich Momente, wo sie bereit sein müssen, über ihre Grenze zu gehen, natürlich wenn sie das wollen. Es wird niemand zu etwas gezwungen, was er nicht kann. Aber ich muss sehen, dass ich Menschen finde, die bereit sind „mehr“ zu wollen. Es sind Tänzer, die mal was anderes probieren wollen, ihren Körper auf andere Weise einsetzen wollen, Freerunner, die sehr kundig sind im Umgang mit städtischer Architektur und interessiert sind etwas über Performance zu lernen, auch reine Kletterer sind immer wieder dabei, ihre Klettertechnik können die Tänzer gut gebrauchen. Immer wieder sind auch Zirkusartisten dabei, die wenig Mühe haben, hoch hinauf zu klettern. Wie Sie sehen, ein interessanter Mix aus Menschen mit verschiedenem Ausbildungs- oder Technikhintergrund. Bei dieser Arbeit muss jeder bereit sein, gut zusammenzuarbeiten, denn die Performer helfen einander im Klettern oder sie liegen sehr eng ineinander verschlungen, sie dürfen also überhaupt keine Scheu vor Berührung haben. Ich erlebe sehr oft, dass die Gruppe nach Proben und Performen zusammengewachsen ist.

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