Winterreise in die Urzeit

Zu Besuch bei den Auerochsen und ihrem Nachwuchs im Neandertal.

Kreis Mettmann. Tumult in der Auerochsenherde: Ein Tier springt über einen Holzzaun, der oberste Balken kracht zu Boden. Und die zotteligen Urzeitkolosse kennen kein Halten mehr. Sie galoppieren los. „Hinter den Zaun, geht hinter den Zaun“, ruft Gabriele Meiser, Hegemeisterin des Wildgeheges im Neandertal, ihrer Kollegin Hannah Walter und dem Zivildienstleistenden Marcel Niemann zu.

Die beiden überlegen nicht lange und bringen sich in Sicherheit. Denn die Auerochsen rollen als wild gewordene Fleischmasse direkt auf sie zu. Erst als die Tiere auf der größeren Weidekoppel ankommen, beruhigen sie sich. Doch im Schnee stechen Bluttropfen rot hervor.

Ein Auerochse hat sich beim Sprung über den Holzzaun verletzt. „Es ist aber nicht so schlimm. Das Tier hat nur ein wenig Nasenbluten“, sagt Gabriele Meiser. Wie es zu der Herdenpanik kam, ob vielleicht Bulle Sören etwas ungehalten reagiert hat, kann sie nicht sagen. „Irgendwas hat sie halt beunruhigt.“

Gemächlich fressen die Tiere mittlerweile ihr Heu. Das Futter haben Gabriele Meiser und ihre Helfer zuvor auf der Weide, die unter einer dicken Schneeschicht liegt, verteilt.

Das Neandertal hat sich in den vergangenen Wochen in eine Winterlandschaft wie aus dem Bilderbuch verwandelt. Und darin stapfen gemütlich nicht nur die 15 großen Auerochsen, sondern auch Lina, Nummi, Norikola, Naoro, Nari, Naron, Nilsson und Naidja.

So heißt der Nachwuchs. Die „Kleinen“ sind zwischen vier und acht Monaten alt — ein Alter, in dem „sie bereits alt genug sind, um sich langsam von den Mütterkühen abnabeln. Deshalb sind sie auch in ihrer Kindergruppe oft unterwegs.“

In dieser kleinen Jungtierherde geht es die meiste Zeit harmonisch zu. Nur selten gibt es Streit um das begehrte Heu oder den besten Platz am Futtertrog.

Die Kälte macht den Kälbern nichts aus, den ausgewachsenen Auerochsen sowieso nicht. „Die sind abgehärtet und trotzen den Minustemperaturen. Auch in der Nacht bleiben die Tiere draußen. Wenn es ihnen dann doch zu kalt werden sollte, rottet sich die Herde zusammen,“ sagt Gabriele Meiser. Zudem haben die Tiere jetzt ihr Winterfell. Die kleinen sehen damit ganz puschelig aus, „die großen Tiere wirken mit Schnee in ihrem Fell noch urtümlicher.“

Doch so hart im Nehmen die Auerochsen bei Kälte auch sind, um die Minustemperaturen mit Körperwärme ausgleichen zu können, müssen sie jetzt mehr fressen als in den Sommermonaten: 120 Kilogramm Heu vertilgt die Herd pro Tag. Meiser: „Dazu gibt es noch eine Getreidemischung. Das nährt sie gut. Immerhin müssen sie sich im Winter eine ordentliche Fettschicht anfressen.“

Das Wildgehege ist auch in den Wintermonaten geöffnet, so dass Besucher des Neandertals die Auerochsenkälber beobachten können. Und Angst, dass die Herde in Panik losstampft, brauchen sie nicht zu haben. Hegemeisterin Meiser: „Das passiert sehr selten. Auerochsen sind im Grunde genommen ausgeglichene Tiere.“

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