Eine Familie voller Multitalente

Ratingen: Mit wilden Tieren, Akrobatik und Clownerie will der Zirkus Atlantik sein Publikum begeistern.

Ratingen. Gespannt beobachten die Zuschauer das Mädchen auf dem Podest in der Manege. Es beugt sich nach hinten, immer weiter, bis die Hände den Boden berühren. Dann schiebt es den Oberkörper zwischen den eigenen Beinen nach vorne durch und winkt dem Publikum zwischen beiden Füßen freundlich zu. Lauter Applaus belohnt so viel Gelenkigkeit.

Das Schlangenmädchen heißt Janina Köllner und ist 13 Jahre alt. Dreimal in der Woche trainiert sie. Wenn andere Mädchen ihres Alters lieber Computer spielen oder fernsehen, steht Janina in der Manege und verbiegt ihren Körper, um ihre Gelenkigkeit zu erhalten. Wie schafft es ein Kind, so viel Disziplin aufzubringen? „Ich bin hier aufgewachsen“, sagt Janina. „Da lernt man das von vornherein mit. Training gehört einfach dazu — aber es ist ja auch toll. Wenn das Publikum dann applaudiert, das finde ich klasse.“

Der Zirkus Atlantik ist ein Familienzirkus, der seit mehr als 100 Jahren durch das Land zieht. Lesly Köllner ist 20 Jahre alt und ebenfalls von klein auf dabei. Sie tanzt auf dem Seil, zeigt Artistik am Vertikalseil und eine Hundedressur — bei so kleinen Betrieben muss jeder ein Multitalent sein, damit das Publikum zufrieden ist.

Die „Generation ipod“ kann sich spektakuläre Kunststücke jederzeit über das Internet auf den Bildschirm holen; der Cirque du Soleil oder der Zirkus Knie sind nur einen Mausklick entfernt. Hat der familiäre Zirkus da überhaupt noch eine Chance? „Solange es Kinder gibt, wird es den Zirkus geben“, sagt Lesly. „Und auch, wenn man heute alles auf dem Bildschirm sehen kann — nichts ist vergleichbar damit, das live zu erleben. Die Musik, der Geruch, kein Fernsehgerät der Welt kann das vermitteln.“

Ständig unterwegs sein, keinen festen Punkt im Leben zu haben, ist für die Zirkusfamilie kein Problem. „Wir nehmen unser Zuhause mit. Unser Dorf, unsere Familie, die sind immer dabei. Nur die Umgebung ändert sich. Und wir wollen das auch gar nicht anders haben. An einem Ort zu leben kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Wen der Zirkus einmal gepackt hat, den lässt er nicht mehr los“, sagt Lesly lächelnd.

Rund 20 Menschen sind mit dem Zirkus unterwegs; jeder muss zufassen, damit alles klappt. Zelte wollen aufgebaut, Tiere gepflegt werden. Protesten von Tierschützern gegen Wildtiere im Zirkus begegnet Lesly gelassen: „Natürlich muss es Tierschutz geben. Aber viele protestieren, ohne sich vorher selbst ein Bild zu machen. Unsere Tiere sind bestens versorgt; wir werden ständig vom Veterinäramt überprüft.“ Die Tiere seien ein Teil der Zirkusfamilie, und so würden sie auch behandelt.

„Spätestens, wenn man die Dressuren sieht, merkt man, dass hier keine geschundenen Kreaturen agieren, sondern fröhliche, selbstbewusste Vierbeiner, denen die Nummer offensichtlich Spaß macht.“

Und wenn die Kinder in der ersten Reihe mit leuchtenden Augen auf die Reihe der niedlichen Ponys schauen oder mit vor Staunen offenem Mund den Engel im Reifentrapez bewundern, hat sich alle Arbeit für die Familie Köllner gelohnt.

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