Orgelmusik Kleines Publikum, großer Klang

Krefeld · Dominik Susteck setzte bei seinem Konzert am Sonntagabend Zeichen auf der Walcker-Orgel der Lutherkirche.

 Beim Orgelkonzert in der Lutherkirche gab es eine Videoübertragung.

Beim Orgelkonzert in der Lutherkirche gab es eine Videoübertragung.

Foto: Andreas Bischof

Bei einem Publikum gerade einmal in der Zahl einer Kammermusikbesetzung verstand es Karlheinz Schüffler, daraus noch das Beste zu machen. In seiner Begrüßung erklärte der Organisator des Konzerts am Sonntag in der Lutherkirche: „Bei so wenigen Zuhörern haben Sie den Kathedral-Sound in dieser Kirche.“ Das Dutzend Gäste bekam aber auch noch die Gelegenheit, auf einer Leinwand dem Gastorganisten Dominik Susteck (Jahrgang 1977) bei seinem Spiel auf die Finger und die Füße zu schauen.

Ungewöhnlich tänzerisch erklang seine Interpretation des Präludium in C-Dur (BWV 547,1) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Dabei war es interessant zu beobachten, dass gerade durch das Spiel mit den Füßen ein Organist eine bewegungsreiche Gymnastik für den Unterkörper absolviert.

Die Interpretation der „Cathédrale engloutie“ (versunkenen Kathedrale) von Claude Debussy (1862-1918), die Susteck für die Orgel bearbeitet hatte, erforderte einen stärkeren Einsatz an der Walcker-Orgel. Mit leisen, schwebenden Klängen begann er, eine geheimnisvolle Atmosphäre zu schaffen und Spannung aufzubauen. Dabei konnte das Publikum beobachten, wie er immer wieder eine der beiden Walzen mit seinem Fuß drehte und somit die Lautstärke variierte. Im Unterschied zu einem Klavier funktioniert dies nicht durch einen Anschlag der Tasten, sondern durch die Walzen des Schwellwerks.

Zum Hauptwerk seines Konzertprogramms „Zeichen“ gab Susteck sehr hilfreiche Erklärungen. Das etwa 30-minütige Stück ist ein Kompositionsauftrag der Bischöflichen Kirchenmusikschule Essen, das im dortigen Dom am 5. Oktober 2016 auch uraufgeführt wurde. „Als Komponist versucht man auch, etwas zu finden, was überrascht,“ erklärte Susteck und gab kurze Einführungen in die sechs Sätze dieses Werks, die unterschiedlichste Zeichen in Orgelmusik umsetzen.

Organist suchte Bezüge von modernem Stück zur Bibel

Als Kirchenmusiker fand er für die Morsezeichen im ersten Satz „Morse“ natürlich ein Zitat aus der Bibel. Die Aufforderung „Öffne dich!“ setzte er dabei mit entsprechenden langen und kurzen Tönen um, wie man es auch erwarten konnte. Doch Susteck führte sie weiter bis zu einem Donnerwetter – weil sich der Angesprochene nicht öffnen will? Die bedrohlich wirkende Atmosphäre nahm er dann aber wieder zurück.

Überraschend war seine Vorstellung eines Funkfeuers. Die Register, die er dafür auswählte, weckten Assoziationen an Vogelpfeifchen, die mit Wasser gefüllt sind. Dazu kam noch das Pfeifen des Organisten, was man jedoch erst viel später auf der Leinwand sehen konnte und die Zweifel beseitigte, ob dieser witzige zwitschernde Dialog wirklich zwischen Instrument und Organisten stattfand.

Dass Schatten nichts Statisches sein müssen, verstand Susteck auch musikalisch auszudrücken. Durch die sich verändernden Lichtreflexe können unterschiedliche Stimmungen entstehen und so ließ Susteck immer wieder eine musikalische Windböe durch den Raum ziehen. Echos sind für Komponisten kein Neuland, aber man kann sie auch mit künstlerischer Freiheit fein nuanciert präsentieren. Da darf sich ein Echo auch vom Originalmotiv unterscheiden.

Der Satz „Signal“ lebte von Wiederholungen und Susteck entwickelte hier eindrucksvoll den angekündigten Kathedral-Sound. Ganz andere Register  — im wahrsten Sinne des Wortes  — zog er beim abschließenden Satz „Geister“. Schwebende Klänge begannen und es schienen eher freundliche Geister zu kommen. Mit Rollschellen und Tamburin gab er seiner Geisterwelt noch zusätzliche Akzente, die die Stimmungen veränderten.

Eine Räumlichkeit gab Susteck seinen Geistern, indem er leise Schellen rasselnd die Orgelempore verlassen und in einen Gang neben dem Chor entschwinden ließ. Mit je einem weiteren Werk von Debussy und Bach schloss er musikalisch den Kreis in seinem ungewöhnlichen Konzert, das wohltuend wie faszinierend die Möglichkeiten zeitgenössischer Orgelmusik auch auf einem historischen Instrument zeigte.

„Ich bin total erstaunt, wie gut auf dieser romantischen Orgel zeitgenössische Orgelmusik zu spielen ist. Sie hat so eine warme Bandbreite, was mir und meinem Stück sehr entgegen kommt“, sagte Susteck. Karstjen Schüffler-Rohde, Organisatorin der Konzertreihe, fügte hinzu: „Diese Stimmung zu erfassen und so aus einem klassischen Instrument herauszuholen, das konnte man nicht erwarten.“

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