Kultur Ein Tanz zwischen Brückenpfeilern

Faszination an unwirtlichem Ort: Das Düsseldorfer Ensemble Hartmannmüller gastiert mit seinem Stück „Under the Bridge“ in Krefeld.

Krefeld. Entspannt ein Glas Sekt trinken, Musik hören und ins Grüne schauen. Unter einer Autobahnbrücke kann man sich solch eine idyllische Szene kaum vorstellen. Doch genau das ist dem Düsseldorfer Ensemble Hartmannmueller mit ihrem Stück „Under the Bridge“ jetzt perfekt gelungen. In der Reihe des Krefelder Kulturbüros „Move! in Town“ gab es jetzt zum dritten Mal eine zeitgenössische Tanzproduktion an einem außergewöhnlichen Ort.

Über die Autobahnbrücke am Ende des Schönwasserparks fahren täglich bis zu 90 000 Fahrzeuge. Als wäre das nicht schon Lärmkulisse genug, kreuzen zusätzlich die Eisenbahnlinien den südlichen Bereich der Brücke. Die hohen Pfeiler sind mit Graffiti verziert, die Ausläufer des Schönwasserparks sind in Sichtweite. Ein bizarrer und reizvoller Ort zum Bespielen.

Das Ensemble „Hartmannmueller“ wurde 2011 von Simon Hartmann und Daniel Ernesto Mueller gegründet. Gemeinsam mit Felix Ersig haben sie das aktuelle Stück konzipiert und treten dabei auch zu dritt in Aktion. Alle drei tragen die gleichen hellbraunen Anzüge und jeweils ein grünes Hemd. Ihre Aktionen sind dagegen völlig konträr.

Auf der breiten Kiesfläche zwischen den Pfeilern erscheint zunächst Ersig. Er baut Campingtisch und Stuhl auf und beginnt, das Gelände mit einem Metalldetektor abzusuchen. Ein schwarzes Auto fährt vor, aus dem Radio ertönt eine swingende Melodie von Benny Goodman. Mueller und Hartmann steigen aus. Im Kofferraum haben sie etwa 50 Schilder, die ausgeladen und im Verlauf des Stücks überall auf dem Gelände aufgestellt werden.

Während Hartmann dies unbeirrt tut, nimmt Mueller den Kontakt zum Publikum auf, das in lockeren Reihen auf dem Gelände steht. Er spielt den Charmeur, der einige Besucherinnen einlädt, in das Auto zu steigen, eine kleine Runde zu drehen, um dann im Schatten des Brückenpfeilers ein Gas Sekt zu trinken.

„Hier entsteht ein Bordell“ steht auf einem Schild, was die ganze Aktion in ein schräges Licht taucht. Auf anderen Schildern liest man dagegen banale Erkenntnisse wie „Heute ist genau die Hälfte des Jahres vorbei“ oder „30 Minuten sind schon herum“. Manchmal wird ein Schild auch dem Publikum präsentiert, bevor es einen festen Platz findet: „Du bist nicht allein“ bringt die tatsächliche Situation auf den Punkt.

Mit diesem erzählerischen Leitfaden wird das Publikum nicht nur unterhalten, sondern erhält immer wieder neue Denkanstöße. Dazu gehört auch eine gewisse Manipulation der Wahrnehmung dieses Ortes, der alles andere als schön ist. Doch mit seiner leicht kuriosen, aber auch sehr entspannt wirkenden Idylle, die das Trio hier inszeniert, zieht es den Zuschauer geschickt in den Bann. Die Aktionen sind von einem Rhythmus gekennzeichnet, Wiederholungen geben ihnen einen Anklang von Monotonie. In allem spiegelt sich der gleichmäßige Geräuschpegel der Autobahn wider, der den Aufführungsort entscheidend prägt.

Am Ende gelingt dem Ensemble eine wunderbare Inszenierung, in der skurriler Humor und Poesie perfekt ausbalanciert sind. Eine Stunde lang unterhalten die drei Künstler das Publikum an einem Ort, an dem man sich freiwillig nicht lange aufhalten würde. Und am Ende von „Under The Bridge“ ist es tatsächlich so, dass man den Ort anders wahrnimmt als zuvor. Auf dem letzten Schild steht „Es war schön mit Euch“. Dieses Kompliment kann man nur zurückgeben.

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