Kultur Riesentalent auf dem Altsaxophon

Krefeld · Das Quartett der Anna-Lena Schnabel lieferte einen furiosen Auftakt zum Jazzherbst ab.

Anna-Lena Schnabel, hier mit ihrem Quartett im Theaterfoyer, gilt noch als Entdeckung.

Anna-Lena Schnabel, hier mit ihrem Quartett im Theaterfoyer, gilt noch als Entdeckung.

Foto: ja/Mark Mocnik (moc)

Das ist dann schon mal ein Statement. Wenn eine Jazz-Saxophonistin gleich beim ersten Stück ihres Auftritts nur das Mundstück ihres Instruments benutzt, macht sie unmissverständlich klar, dass sie nicht nur an der herkömmlichen Tonerzeugung interessiert ist. Wie sehr Anna-Lena Schnabel, 29 Jahre jung, ihr Altsaxophon im Griff hat, welche Vielfalt an klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten ihr auf ihm möglich sind, das bewies sie jetzt eindrucksvoll beim Auftritt ihres Quartetts im ausverkauften Foyer des Stadttheaters.

Der Jazzklub Krefeld hatte die Hamburgerin eingeladen, die 2016 ihre Debüt-CD „Books, Bottles and Bamboo“ vorgelegt hat. Auf diesem Album schon dabei: der Pianist Florian Weber. Den kennt man in Krefeld, in der deutschen Jazzszene und darüber hinaus hat der Mann einen mehr als guten Ruf. Dass Schnabel, die noch als Entdeckung gilt, so ein Schwergewicht als Begleiter in ihrer Band hat, spricht schon einmal Bände.

Bis auf ein Stück stammen alle Kompositionen von Schnabel

Des Weiteren wurde sie hier jetzt live von Giorgi Kiknadze am Kontrabass und Björn Lücker am Schlagzeug begleitet, auch dies so gestandene wie erfahrene Musiker, die mit Schnabel und Weber bestens harmonierten. Das Konzert des Quartetts bildete den Auftakt zum vierten Krefelder Jazzherbst.

Bis auf ein Stück von Weber stammten alle Kompositionen aus der Feder von Schnabel. Zarte Balladen, für die Schnabel dann auch mal zur Querflöte greift, wechseln sich da mit brachialen Free-Jazz-Themen ab. Ein Blues wird mit ironischer Distanz gespielt, ein Thema mit Bebop-Phrasierung wird dadurch verfremdet, dass Weber auf der Melodica und Schnabel auf dem Altsaxophon es bitonal intonieren.

Triolische Swingrhythmik kommt vor, dann gleitet die ganze Band wieder ins freie Rubato über. Harmonisch wird mal über Akkordwechsel gespielt, dann über ein Ostinato, kurzfristig verlässt man auch gänzlich die harmonische Bindung. Erstaunlich ist bei dieser Band, wie sehr sie trotz der Offenheit der bedienten Formen eng verzahnt miteinander agiert.

Schnabels Ton auf dem Altsaxophon ist mal derb und laut, dann wieder hauchzart. Es dauert, bis sie auch einmal mit schellen Läufen virtuose Geläufigkeit demonstriert. Das Arbeiten mit dem Sound und das Erzeugen von Atmosphäre damit ist ihr mindestens genauso wichtig. Dabei hilft ihr, dass sie über die Techniken verfügt, mehr als den gewöhnlichen Klang auf ihrem Instrument zu erzeugen.

Plopp- und Blasgeräusche integriert sie in ihr Spiel, Mini-Glissandi sind zu hören. Rauhes Überblasen und Vibrato beherrscht sie ebenfalls. Frappierend ist, wie unangestrengt sie auf all das zurückgreifen, wie fließend und selbstverständlich sie zwischen verschiedenen Mitteln wechseln kann. Und auf der Querflöte kann Schnabel dann fast impressionistisch innerlich klingen, die Breite des Klangspektrums, die Schnabel auf ihren Instrumenten abdeckt, ist wirklich sehr erstaunlich.

Alle vier Musiker bewiesen in langen Improvisationen ihre solistischen Qualitäten. Weber präparierte dabei das ein oder andere Mal auch die Saiten seines Klaviers, einmal musste dafür auch das Buch eines Zuschauers herhalten.

Das war ein mehr als spannender Abend, den das Anna-Lena-Schnabel-Quartett den Krefelder Jazz-Fans bescherte. Selten erlebt man eine Band, die sich so souverän aus dem stilistischen Fundus des modernen Jazz bedienen kann, dass dabei wie selbstverständlich eine sehr individuelle, eigenständige Stilistik entsteht. Von Anna-Lena Schnabel wird man noch viel hören.

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