Tierschutz Gnadenhof in Weeze: Das sind die Geschichten von Hausschwein Hermine und Co.

Weeze · Auf einem alten Bauernhof in Weeze betreut der Bund deutscher Tierfreunde Pferde, Schweine und andere Zwei- und Vierbeiner, die zum Teil Schlimmes erlebt haben. Ein Besuch beim Gnadenhof.

Die Sau Hermine ist so etwas wie das Maskottchen auf dem Gnadenhof im Kreis Kleve.

Die Sau Hermine ist so etwas wie das Maskottchen auf dem Gnadenhof im Kreis Kleve.

Foto: Gabi Kowalczik

Für Aylin, Erna und Lotta ist die Welt in Ordnung. Gerade haben die drei Ziegendamen ihren Mittagsschlaf beendet, da scheinen sie schon wieder den nächsten Schabernack auszuhecken. Vielleicht mal die gefiederten Nachbarn im Hühnerstall besuchen? Oder irgendwo etwas zum Anknabbern suchen? Da – Pony Purzel kommt über den Hof gelaufen. Ganz gemächlich, schließlich ist der Pony-Senior mittlerweile stolze 36 Jahre alt. Was für die Ziegen aber gerade viel wichtiger ist: Wenn das Pony hier ist, bedeutet das, es kann nicht bei seinem Futtereimer sein.

Das ist die Chance für Aylin, Erna und Lotta: Im Ziegengalopp spurten sie über die Wiese,  vorbei an Purzel und über den Hof zum Futtereimer. Geschafft – lecker. So ein Ziegenleben macht hungrig.

Wenn die Ziegendamen wüssten, welches Schicksal ihnen hätte blühen können, vielleicht würde ihnen dann der Appetit vergehen. Denn seien wir ehrlich: Normalerweise würden die Ziegen schon längst nicht mehr leben. Geboren wurden sie in einem Tierpark im Münsterland. Einem Park, in dem während der Saison viele kleine niedliche Zicklein die Besucher begeistern sollen. In dem aber auch nach der Saison niemand weiß, wohin mit den Tieren. Das Ergebnis: Viele werden getötet. Genau das wollte eine junge Frau nicht mit ansehen, kaufte die drei Ziegen frei und suchte ein neues Zuhause für sie. Jetzt wohnen Lotta, Erna und Aylin auf dem Gnadenhof in Weeze, hier geht es ihnen gut.

Der Gnadenhof Weeze wird 15 Jahre alt.

Der Gnadenhof Weeze wird 15 Jahre alt.

Foto: Gabi Kowalczik

Geschichten wie die der Ziegen kann die Leiterin des Gnadenhofes Beate Mühlenberg beinahe zu jedem Tier erzählen. Traurige Geschichten von traumatischen Erlebnissen, vom Abgeschoben-Werden, vom Nicht-mehr-gewollt-Sein.

Da ist etwa Quincy, der ehemalige Traber-Hengst, der nach seiner sportlichen Karriere von seinem Besitzer einfach auf einer kargen Wiese stehen gelassen wurde und nur noch aus Haut und Knochen bestand, als er gefunden wurde. Da sind die Hühner, die zu viert in einer winzigen Box gehalten wurden. Da sind die Hängebauchschweine, die als Haustiere doch nicht so gut geeignet waren wie ihr ehemaliger Halter sich das wohl vorgestellt hatte. Da sind jede Menge Katzen, die nicht artgerecht gehalten und deshalb vom Veterinäramt sichergestellt wurden. Und da ist Hermine, das große Hausschwein.

Ein Beitrag zum karitativen Tierschutz

Hermine hatte es eigentlich gar nicht so schlecht bei ihrem ehemaligen Besitzer. Viel Platz, schönes Gehege, alles war gut. Bis der Mann krank wurde und die Sau abgeben musste. Das Tier kam daraufhin auf einen Schulbauernhof, wurde dort aber in einer engen Box gehalten. Den Enkeln des ehemaligen Besitzers gefiel das gar nicht, sie kauften das Schwein frei und brachten es nach Weeze. Dort hat Hermine nun ein großes Gehege mit einer Hütte und Platz zum Suhlen, sie darf aber auch oft frei über den Hof und das viereinhalb Hektar große Gelände spazieren.

Hermine, Quincy, das Ziegentrio und die anderen Zwei- und Vierbeiner – sie alle erfahren auf dem Gnadenhof, dass sie etwas wert sind, sagt Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes. „Gut geführte Gnadenhöfe leisten so einen Beitrag zum karitativen Tierschutz.“ Und im Gegensatz zu vielen Tierheimen hätten sie auch die Möglichkeit, größere Tiere wie Schweine oder Pferde aufzunehmen und ihnen ein würdevolles Leben zu geben.

Wie viele Gnadenhöfe es in Nordrhein-Westfalen gibt, darüber gibt es beim Land NRW keine Zahlen. Und auch der Tierschutzbund kennt nur die Höfe, die sich ihm angeschlossen haben. Für alle aber – egal unter welcher Trägerschaft oder Dachorganisation – gelte, dass sie nach Paragraph elf des Tierschutzgesetzes einen Sachkundenachweis erbringen müssen, erklärt Sprecherin Lea Schmitz weiter. Gewährleistet werden muss etwa eine tierärztliche Betreuung, auch ausreichend Platz ist wichtig. Ein Pferd braucht schließlich einen ganz anderen Auslauf als ein Meerschweinchen.

Pflege der traumatisierten Tiere oft aufwendig

Mit Pferden hat vor 15 Jahren übrigens in Weeze alles angefangen. Der Bund deutscher Tierfreunde, der auch die Tierherberge in Kamp-Lintfort betreibt, hatte die Vision, gequälten, misshandelten und verstoßenen Tieren einen schönen Lebensabend zu ermöglichen. In Weeze fanden die Aktiven einen ausgedienten Bauernhof und kauften diesen. 2003 zogen dort die ersten Pferde und Ponys ein. Nach und nach kamen weitere Haus- und Hoftiere hinzu, die Mitarbeiter des Vereins bauten immer wieder neue Gehege.

Heute leben 18 Pferde und Ponys auf dem Gnadenhof, insgesamt sind es rund 100 Tiere. Betreut werden sie von ausgebildeten Tierpflegern. Beate Mühlenberg wohnt sogar auf dem Hof, sie ist auf diese Weise ganz nah an den Tieren dran.

Die Pflege der traumatisierten Tiere ist oft aufwendig, sie erfordert Fingerspitzengefühl und Geduld, erklärt die 32-Jährige. „Die Tiere bekommen hier erst einmal und Ruhe.“ Schließlich hätten viele von ihnen schlechte Erfahrungen gemacht – gerade mit Menschen. „Trotzdem müssen sie ja mal irgendwann zum Tierarzt, die Pferde zum Hufschmied. Da ist es wichtig, dass sie wieder lernen, zu vertrauen.“ Das funktioniere nur mit Geduld. „Wir bedrängen die Tiere nicht, sie müssen auf uns zukommen.“ Das Team arbeitet mit einem festen Tierarzt zusammen, der den Hof und seine Bewohner schon lange kennt.

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