Beratung „Familie ist mehr als Vater, Mutter, Kind“

Düsseldorf · Tina Mesarosch und Steffen Langfeld sind das neue Beraterteam für Regenbogenfamilien. Sie unterstützen beim Kinderwunsch, arbeiten aber auch mit Kitas und Schulen zusammen, um die vielfältigen Familienformen sichtbar zu machen.

 Tina Mesarosch und Steffen Langfeld bilden das Beraterteam für Regenbogenfamilien. Die Fachstelle steht allen Familien und werdenden Familien zur Verfügung, in denen mindestens ein Elternteil homo-, bi- oder transsexuell ist.

Tina Mesarosch und Steffen Langfeld bilden das Beraterteam für Regenbogenfamilien. Die Fachstelle steht allen Familien und werdenden Familien zur Verfügung, in denen mindestens ein Elternteil homo-, bi- oder transsexuell ist.

Foto: Ines Arnold

Als sich Tina Mesarosch 2018 um ein Praktikum bewarb, war die Fachberatungsstelle erst wenige Monate zuvor eröffnet worden. Und sie war ein bundesweites Novum: Es war das erste Mal, dass ein großer Wohlfahrtsverband wie die Awo eine eigene Beratungsstelle speziell für Regenbogenfamilien ansiedelte. „Damit wurde ein Ort geschaffen, an dem sich die Familien nicht erklären müssen“, sagt Mesarosch heute. Die Fachstelle steht allen Familien und werdenden Familien zur Verfügung, in denen mindestens ein Elternteil homo-, bi- oder transsexuell ist. In der Beratung können Fragen und Anliegen vor, während und nach der Familiengründung vertraulich besprochen werden.

Tina Mesarosch ist noch immer dabei, nach dem Praktikum wurde die Sozialarbeiterin übernommen. Seit Januar sitzt ihr in dem kleinen Büro an der Schloßallee nun Steffen Langfeld gegenüber. „Nun sind wir ein diverses Team. Dadurch könnte auch für schwule Männer die Hemmschwelle sinken, sich bei Fragen rund um das Thema Kinderwunsch oder Familiengründung an uns zu wenden“, sagt der 32-jährige Sozialpädagoge. Denn bisher sind es vor allem lesbische Frauen, die dabei die Hilfe der Fachstelle in Anspruch nehmen. Und die immer wieder deutlich machen, dass es auch mit der „Ehe für alle“ noch rechtliche Ungleichheiten gibt.

Die betreffen das Abstammungsrecht: Rechtlich ist automatisch die Frau die Mutter, die das Kind austrägt. In heterosexuellen Beziehungen ist der Ehemann automatisch der Vater. Die Ehefrau einer lesbischen Frau ist aber nicht automatisch die Mutter, sie muss das eigene Kind per Stiefkind-Adoption adoptieren. „Das Ziel muss es sein, dass es zu einer Änderung des Abstammungsrechts kommt“, sagt Tina Mesarosch. „Eine Adoption sollte gar nicht nötig sein, wenn zwei Frauen sich ein gemeinsames Kind wünschen. Es gibt keine Geschichte des Kindes in einer anderen Familie. Das Kind wird geplant und gewünscht in eine Familie hineingeboren“, betont Mesarosch.

Der langwierige Adoptionsprozess stellt die Paare vor Herausforderungen, bei deren Bewältigung die Beratungsstelle Hilfe und Stärkung durch Gruppenangebote anbietet. „Manchmal tut es einfach gut, sich mit Menschen auszutauschen, die mit den gleichen Problemen zu tun haben oder die diese Probleme schon hinter sich gelassen haben.“ In der Fachstelle der Awo treffen sich einmal im Monat zwölf bis 14 Familien. Auf mehr als 100 Beratungsanfragen kommen Mesarosch und Langfeld im Jahr.

Eine andere Herausforderung, der sich Regenbogenfamilien stellen müssen, ist der Umgang der Gesellschaft mit ihnen. Fälle von lautstarker Ausgrenzung, von Mobbing, das sich gegen Eltern oder auch Kinder aus Regenbogenfamilien richtet, ist Mesarosch und Langfeld in ihrer Beratungstätigkeit nicht begegnet.

Und dennoch gibt es die Situationen im Alltag, die durch eine unglückliche Wortwahl, eine Gedankenlosigkeit ein Gefühl der Ausgrenzung entstehen lassen können. Wenn etwa der Kindergarten zum Vater-Kind-Tag einlädt, in der guten Absicht, Väter mehr in den Kitaablauf einzubeziehen. „Es geht darum, auch in solchen Situationen miteinander ins Gespräch zu kommen, offen füreinander zu sein. Wenn sich die Regenbogenfamilie generell in der Kita wohl und akzeptiert fühlt, dann wird sie auch im Falle eines Vater-Kind-Tages eine Lösung finden, wie damit umgegangen wird“, sagt Langfeld.

Das nächste Projekt ist schon in Arbeit: ein Malbuch

Er versteht seine Aufgabe in der Fachstelle darin, Mitarbeiter in Kitas und Schulen genau dafür zu sensibilisieren. Es gibt Fortbildungen zu dem Thema, die Fachstelle geht aber auch aktiv auf die Einrichtungen zu. „Die verschiedenen Formen von Familien sollen sichtbar gemacht werden“, sagt Langfeld. Das Kinderbuch „Alles Familie“ liegt ihm in dem Zusammenhang besonders am Herzen. „Darin werden auch Modelle mit zwei Müttern, zwei Vätern, Patchworkfamilien oder Alleinerziehenden gezeigt. Familie ist eben mehr als nur Vater, Mutter und Kind“, sagt er. In wie vielen Kitas das Buch aber schon genutzt wird, ist nicht bekannt.

Das nächste Projekt steht bevor. Ein Malbuch, das die verschiedenen Familienformen abbildet, soll schon bald in einigen Einrichtungen verteilt werden. Das erklärte Ziel von Mesarosch und Langfeld: Die Regenbogenfamilie soll als genauso selbstverständlich wahrgenommen werden wie jede andere Familienform auch. „Daran arbeiten wir. Aber das geht nicht von heute auf morgen.“

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