Neun Jahre und schon Einbrecherin

Immer öfter sind schon unter 14-Jährige in Düsseldorf als Einbrecher und Diebe unterwegs.

Düsseldorf. Zivilfahnder beobachteten die beiden Mädchen, als sie im Juni ein Haus an der Schillerstraße verließen. Die Kleinere der beiden hatte Blümchenspangen im Haar, sah aus wie ein unschuldiges Kind. Doch bei ihr entdeckten die Polizisten eine Geldkassette, in dem Haus eine aufgehebelte Wohnungstür. Im Präsidium fand man heraus: Das Mädchen war offenbar für Einbrüche in ganz NRW verantwortlich, allein in Düsseldorf soll es zwölf Taten begangen haben. Die Kleine ist neun Jahre alt.

638 Kinder unter 14 Jahren als Tatverdächtige zählte die Polizei Düsseldorf im vergangenen Jahr — 61 mehr als im Jahr davor. 2011 dürfte diese Zahl noch steigen, denn auch die Fallzahlen bei Taschendiebstählen und Einbrüchen sind deutlich nach oben gegangen. Es sind die klassischen Einsatzgebiete der „Klau-Kids“. „Sie werden von europaweit agierenden Banden gesteuert und überregional eingesetzt“, erklärt Dieter Töpfer, Leiter des Einbruchskommissariats. Und der Polizei sind die Hände gebunden, weil unter 14-Jährige nicht strafmündig sind — das wissen die Hintermänner.

Die Neunjährige wurde auf der Wache angehört, gab die Tat zu — gefasst und professionell. Töpfer: „Diese Kinder sind geschult, wie sie sich gegenüber der Polizei verhalten müssen.“ Letztlich brachte man das Mädchen zum Kinderhilfezentrum der Stadt an der Eulerstraße. Dort wurde es vom Rechtsbeistand der Familie abgeholt — und ward nicht mehr gesehen. In Düsseldorf fiel sie nicht mehr auf, der Boden wurde hier wohl zu heiß, vermutlich setzen die Hintermänner die Kleine andernorts ein.

„Kinderführer“ werden diese Drahtzieher im Polizeijargon genannt. „Oft sitzen sie im Ausland“, erklärt Töpfer. „Der Arm einer deutschen Behörde ist dann sehr kurz.“ Ein offenes Geheimnis ist aber auch, dass viele Klau-Kids aus Köln und inzwischen aus Dortmund anreisen, dort in großen Familienclans aus dem südosteuropäischen Raum leben. Das Düsseldorfer Jugendamt kann rein rechtlich nicht viel mehr tun, als die dortigen Behörden zu informieren. Leiter Johannes Horn: „Letztlich ist immer das Jugendamt in der Stadt zuständig, in der das Kind wohnt.“

Gut klappt die Zusammenarbeit laut allen Beteiligten immer dann, wenn ein verdächtiges Kind aus Düsseldorf kommt. Wolfgang Wierich, Leiter des Jugendkommissariats, erinnert sich an einen Fall, bei dem zwei Brüder (neun und zwölf Jahre) und ihre siebenjährige Schwester Fahrräder stahlen, Autos aufbrachen, Passanten beklauten. „Das war eine enorme kriminelle Energie“, so Wierich.

Vertreter der Stadt, Lehrer und die Polizei berieten in Konferenzen eigens über das Trio, es wurde sogar überlegt, den Ältesten aus der Familie zu nehmen. „Wir schöpfen alle Maßnahmen aus“, sagt Wierich. „Wenn wir den Kindern aufzeigen können, dass ihr Verhalten falsch ist, und sie nicht mehr auffällig werden — das ist unser größter Erfolg.“ Denn ansonsten wartet auf die jungen Täter meist kurz nach ihrem 14. Geburtstag der Jugendarrest — und irgendwann der Knast.

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