Lesung: Plauderstunde mit Stefan Aust

Wie alles begann: Der Autor des „Baader-Meinhof-Komplex“ spricht über die Entstehung seines Bestsellers zur RAF.

Düsseldorf. Als erstes baut er das Rednerpult ab und rückt sich das Mikrofon einen halben Meter tiefer. Im Sitzen ist es schließlich bequemer. Und so leger, wie der Abend in der Mayerschen Buchhandlung beginnt, wird er auch fortgeführt. Denn Stefan Aust, Autor des Bestsellers "Der Baader-Meinhof-Komplex", funktioniert die Lesung kurzerhand in eine informative Plauderstunde zum Thema RAF um. Helles Hemd, keine Krawatte, die Brille wie eh und je - die Figur Aust ist bekannt, ebenso wie viele Details, die er erzählt. Trotzdem herrscht Spannung zwischen den Stuhlreihen, als er von dem "biografischen Zufall" spricht, der ihn dazu brachte, sich zwei Drittel seines Lebens dieses Themas anzunehmen.

Durch seine Arbeit bei der Zeitung "konkret" lernte er Ulrike Meinhof kennen. Das Interesse war geweckt, so dass der Spürhund in ihm sich Anfang der 80er Jahre auf die Suche nach den Hintergründen des Deutschen Herbstes machte.

Und so verrät Aust, dass sich in seiner 72 Quadratmeter großen Wohnung Akten auf einer Länge von 60 Metern schlängelten - und dass die Freundin nicht begeistert war von dieser Wohnsituation. Drei Jahre lang las er. Vermerke, Abschriften, Gerichtspapiere. "Da war auch langweiliges Material dabei", gesteht er, aber eben auch jene Seiten, die ihn tief in die Seele der Terrorgruppe blicken ließen.

Etwa Briefe der Stammheim-Gefangenen. "In Freiheit bedeutete die RAF viel Logistik. Die Mitglieder mussten Waffen, Pässe und Geld beschaffen. Im Gefängnis hatten sie Zeit, ihre Ideologie zu durchdenken." Ihn schockierte die Aussage von Gudrun Ensslin, die das Attentat auf die olympischen Spiele in München mit dem Brecht-Zitat "Welche Niedrigkeit begingest du nicht, um die Niedrigkeit auszutilgen?" lobte. Für Aufregung sorgt der Autor mit der Neuigkeit, dass kürzlich Akten gefunden wurden, die Aufschluss darüber bringen können, ob die Häftlinge abgehört wurden. "Das war während der Schleyer-Entführung. Vielleicht erfährt man Neues."

Diskussionen geht Aust gekonnt aus dem Weg, indem er an allen problematischen Stellen ein kurzes "das sehe ich persönlich kritisch" einfügt. Etwa als er sagt, dass er davon ausgeht, der Selbstmordgedanke der Mitglieder gehörte zum Konzept. Oder bei Anmerkungen zum gleichnamigen Kinofilm. "Den kann man kritisch sehen, muss man aber nicht." Und so endet der Abend auch abrupt nach genau eineinhalb Stunden und drei Fragen des Publikums.

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