Comic-Kunst Welt-Bestseller als Comics

Düsseldorf · Das Heine-Institut zeigt, wie Illustratoren die Klassiker der Weltliteratur in „grafische Romane“ verwandeln.

 Jakob Hinrichs kreierte aus Hans Falladas persönlichstem Roman „Der Trinker“ eine „rauschhafte Collage“.

Jakob Hinrichs kreierte aus Hans Falladas persönlichstem Roman „Der Trinker“ eine „rauschhafte Collage“.

Foto: Jakob Hinrichs

Ein Park mit Denkmal, dreistöckige Häuser, ein barockes Schloss, Bäume, Hügel und Wolken – eine Szenerie in Rot, Gelb, Grau und Schwarz, mit wuchtigen Linien wie in einem Holzschnitt, idyllisch und bedrohlich zugleich. Das Zentrum von Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern wirkt wie aus einem expressionistischen Gemälde. Ein Polizeiwagen vor dem Park verstärkt das Unbehagen. Ein Text unter dem Bild gibt Aufschluss:  „Am 4. September 1944 wurde Rudolf Ditzen alias Hans Fallada in die Landesanstalt Neustrelitz eingeliefert. Bei einem Streit mit seiner gerade von ihm geschiedenen Frau – Fallada war an diesem Abend wieder einmal sehr betrunken – hatte sich aus einer alten Pistole ein Schuss gelöst und verfehlte sie nur knapp. Auf sein Bitten hin erlaubte der Leiter der Anstalt ihm das Schreiben und seine Arbeit an dem Roman ‚Der Trinker’ begann.“

 Moritz Stetter verbildlicht die surreale und bedrückende Stimmung in Franz Kafkas Roman „Das Urteil“, hier noch ohne den entsprechenden Text in den Sprechblasen.

Moritz Stetter verbildlicht die surreale und bedrückende Stimmung in Franz Kafkas Roman „Das Urteil“, hier noch ohne den entsprechenden Text in den Sprechblasen.

Foto: Moritz Stetter

Der preisgekrönte Berliner Illustrator Jakob Hinrichs hat den persönlichsten Roman des morphium- und trinksüchtigen Schriftstellers Hans Fallada in einen Comic verwandelt, genauer: in eine „Graphic Novel“, in einen „grafischen Roman“. Eine Gattung, die seit gut einem Jahrzehnt beliebter und beliebter und auch als eigenständiges Kunst-Genre anerkannt wird.

 Fängt die düster-bedrohliche Atmosphäre von Annette von Droste-Hülshoffs „Judenbuche“ mit Bildern plastisch ein: Claudia Ahlering.

Fängt die düster-bedrohliche Atmosphäre von Annette von Droste-Hülshoffs „Judenbuche“ mit Bildern plastisch ein: Claudia Ahlering.

Foto: Claudia Ahlering

Literaturwissenschaftler Jan von Holtum hat im Heine-Institut eine wichtige und besuchenswerte Ausstellung kuratiert, die zeigt, wie zeitgenössische Illustratoren die Klassiker der Weltliteratur in Bild-Text-Romane verwandeln und sogar (noch) attraktiver machen. Anhand von originalen Zeichnungen, Malereien, Entwurfsskizzen, Probedrucken und Ansichtsexemplaren können Besucher der „Comic-Kunst des Erzählens“ – so der Titel der Schau – nachspüren.

 Peter Eickmeyer hat Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ in einen fulminanten Comic verwandelt.

Peter Eickmeyer hat Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ in einen fulminanten Comic verwandelt.

Foto: Peter Eickmeyer

Die Illustratoren verwandeln die literarischen Bestseller auf unterschiedliche Weise in Graphic Novels. Jakob Hinrichs nutzt nicht nur Falladas „Trinker“ als Vorlage, sondern auch Briefe, Erzählungen oder Biografien und montiert sie zu einer „rauschhaften Collage“, wie Hinrichs im Nachwort schreibt.

Moritz Stetter lässt mit dem Spiel von Licht und Schatten, Vergrößerung und Verkleinerung die surreale, beklemmende und gruselige Stimmung zwischen Vater und Sohn in Franz Kafkas „Das Urteil“ dermaßen plastisch aufleben, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft.

Peter Eickmeyer verwandelt mit seiner Frau Gaby von Borstel (sie lieferte die Texte) den weltberühmten Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque in ein eigenständiges, furioses Bild-Wort-Spektakel. Sie verknüpfen grausame Erste-Weltkriegs-Szenen aus dem Roman mit erschütternden Weltenbrand-Sequenzen aus  Verfilmungen des Buches, aber auch mit bildender Kunst wie Picassos Antikriegs-Gemälde „Guernica“ oder den Fotos von Kriegsberichterstattern.

Und wem im Deutschunterricht die Faszination für Annette von Droste-Hülshoffs Novelle „Die Judenbuche“ vergällt wurde, sollte in die Comic-Version von Zeichnerin Claudia Ahlering und Journalist Julian Voloj eintauchen. Mit feinfühligen, berührenden Bildern führt das Künstler-Duo in das Milieu der armen westfälischen Landbewohner, in die beschwerliche Kindheit des (Selbst-)Mörders Friedrich Mergel oder in die idyllische Waldschlucht, die zum Schauplatz des Verbrechens am Juden Adam (bei Droste heißt er Aaron) wird.

„Die Comic-Kunst des Erzählens – Literatur als Graphic Novel“ bis 1. September im Heine-Institut, Bilker Str. 12-14. Am 11. Juni, 19 Uhr, spricht im Rahmen der Düsseldorfer Literaturtage Jakob Hinrichs über seine Graphic Novels „Der Trinker“ und „Traumnovelle“. Der Eintritt kostet 7 Euro, ermäßigt 5 Euro.

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